Presseerklärung

Durch eine Agentur-Meldung vom 14. November 2001 wird bekannt, daß die Krupp-Stiftung mit »mehreren hunderttausend Mark« die Veröffentlichung von Faksimiles der Handschriften Franz Kafkas »im Jahre 2004« (!) fördern will.

Offensichtlich spekulieren der Redaktor der 1994 abgeschlossenen Kafka-Werk-Ausgabe bei S.Fischer, Hans-Gerd Koch (Wuppertal), und sein Mitstreiter, der Gießener Literaturwissenschaftler und ehemalige Präsident der Hölderlin-Gesellschaft, Gerhard Kurz, auf das kurze Gedächtnis der Öffentlichkeit.

Deshalb seien kurz die Fakten in Erinnerung gerufen.

Im Stroemfeld Verlag erschien am 2. Januar 1995, unmittelbar nach Ablauf der Urheberrechte am Werk von Franz Kafka, der Einleitungsband der historisch-kritischen Franz Kafka-Ausgabe (FKA) mit einem Handschriften-Faksimile des »Dom«-Kapitels aus »Process«. Die im gemeinnützigen Institut für Textkritik (Heidelberg) tätigen Herausgeber Roland Reuß und Peter Staengle begründeten darin ausführlich ihr Editionsvorhaben der Faksimilierung aller erhaltenen Kafka-Handschriften - bei S.Fischer war eine solche Sicherung der Textbasis für überflüssig gehalten worden.

Inzwischen liegen im Rahmen der FKA die Faksimile-Editionen von »Process«(1997), »Beschreibung eines Kampfes«(1999) und soeben »Oxforder Quarthefte 1&2«(2001) vor. Mit ihnen konnte gezeigt werden, dass diese Editionsform (Handschriften-Faksimiles mit typographischer Umschrift und Beiheften mit Materialien) dem unabgeschlossenen Werk Kafkas in ganz neuer Weise gerecht wird. Die wissenschaftliche und weitergehende öffentliche Resonanz (u.a. in FAZ, NZZ, Die Zeit, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, DER SPIEGEL, The Observer, New York Times, Le Monde, Times Literary Supplement) war durchgängig positiv.

Als nach der Publikation des FKA-Einleitungsbandes der S.Fischer Verlag 1995 erstmals ebenfalls Faksimiles von »Process«(auf CD-Rom) ankündigte, schlug der Stroemfeld Verlag vor, die notwendigen Scans der Handschriften gemeinsam herstellen zu lassen. Das war S.Fischer dann aber wohl doch zu teuer. Jetzt soll anscheinend die Krupp-Stiftung den neuerlichen Versuch finanzieren, die historisch-kritische Kafka-Ausgabe des Stroemfeld Verlages aus dem Feld zu schlagen. Das kann nicht Aufgabe einer gemeinnützigen Stiftung sein und wird nicht gelingen.

Die FKA ist seit 1995 ausschliesslich durch das persönliche Engagement der Herausgeber und ohne jede öffentliche Förderung des Verlages betrieben worden. Herausgeber und Stroemfeld Verlag hatten auf Vorschlag des früheren Kulturministers Michael Naumann mit der Kulturabteilung des Bundes einen Antrag auf Förderung der Reproduktionskosten durch EU-Gelder vorbereitet, der auch der Bodleian Library Oxford vorgetragen wurde. In Oxford wird ein Großteil der Kafka-Handschriften aufbewahrt. Eine Weiterverfolgung unseres EU-Antrages wird durch das Bekanntwerden des Krupp-Projekts nun wenig erfolgversprechend sein.

Die geplanten Fotografien der Kafka-Handschriften sollten auch unserem Kafka-Editionsprojekt zur Verfügung gestellt werden. Jede andere Regelung müsste als ein weiterer Versuch angesehen werden, das Fortschreiten einer erfolgreichen wissenschaftlichen Initiative zu sabotieren.

Frankfurt am Main, den 15. November 2001

KD Wolff

Stroemfeld Verlag, Basel und Frankfurt am Main

cf. RR, Running Commentary, 26.11.2001