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Friedrich Gottlob Wetzel, XVIII. Wanderers Nachtlager, 54-56

XVIII. Wanderers Nachtlager. 

Die Sonne durch den schwarzen Wald
Warf ihren letzten rothen Schein,
Von fern das Vesperglöcklein hallt
Ins heimliche Gebüsch hinein,
Der Wandersmann mit saurem Tritte
Verdoppelt keuchend seine Schritte.

Er will sich zwingen über Macht,
Ihn zwingt die stärkere Natur,
Vor’m Auge nebelt’s ihm wie Nacht,
Und er verliert des Weges Spur.
Im Schatten dunkelgrüner Hecken,
Muß er sich endlich niederstrecken.

Und sieh, der Boden, da er ruht,
Bezieht mit Eis sich wunderbar,
Wiewohl es mitten in der Gluth
Des schönsten Sommers eben war,
Auch ein empfindlich kühles Wehen
Fängt an ins Antlitz ihm zu gehen.

Ein Schneegestöber zart und dicht,
Mit kaltem Schau’r umrieselt ihn,
Gemach erlischt der Sonne Licht,
Die Wolken immer tiefer ziehn,
Und unter ihm er hört ein Sausen,
Als eines nahen Wassers Brausen. <55:>

Wohl dreimal wechselt er den Ort,
Weil ihm das Bett von Schnee zu kalt,
Doch Schnee und Reif fällt hie und dort,
Und Eis friert unter ihm alsbald,
Nun eilt der Schlummer, wider Willen
Das müde Auge zu verhüllen.

Bald will’s ihm dünken, er erwacht,
Die Sonne ist schon tief hinab,
Er tappt um sich in blinder Nacht,
Fort ist sein Bündel, weg sein Stab,
Am schwarzen Himmel, ohne Flimmern,
In stillem Licht die Sterne schimmern.

Im Dunkel weit und breit er streicht,
Zu suchen den verlornen Weg,
Doch wildfremd ihm die Gegend däucht,
Er findet weder Weg noch Steg,
Der dicke Wald von allen Seiten
Scheint ohne Ende sich breiten.

Er legt das Ohr wohl an den Grund,
Nach Menschenhülf’ er ängstlich ruft,
Da regt sich weder Mensch noch Hund,
Ist still und stumm wie in der Gruft,
Zuletzt gewahrt er fern im Dunkeln
Ein Licht, das auf ihn zukömmt, funkeln.

Deß war der Wandrer herzlich froh,
Weil er’s für Menschennähe nahm,
Doch schien es ferne lichterloh,
Ward’s kleiner, wie es nahe kam,
So hatt’ ihn Nebeldunst betrogen,
Ein Glühwurm kömmt auf ihn geflogen.

Und freundlich grüßt der Wurm und blies
Das blaue Flämmchen stärker an,
Und sprach: Die schöne Herrin hieß
Mich nach dir gehn, du fremder Mann,
So komm nach ihrem Rosengarten,
Wo Sie und ihre Jungfraun warten. <56:>

Hast Aug’ im Auge ihr geschaut,
Trankst ihrer Stimme Honigseim,
Erwählst sie flugs zur ew’gen Braut,
Verlangst wohl nimmer wieder heim –
Nun schweig’ und fleug zum süßen Orte,
Wir lieben hier nicht viele Worte.

Sie kommen an ein Wasser nun,
Nicht breit, doch schien es tief zu sein:
Hier muß ich aus mein Lämpchen thun,
Spring (sprach der Wurm) nur keck hinein,
Du mußt den Sprung im Finstern wagen,
Dieß Wasser will kein Licht vertragen.

Nun stürzt der Pilger in die Fluth,
Und überläßt sich ihrem Spiel,
Sie brannte wie in heller Gluth,
Und war doch gar anmuthig kühl,
In wundersüßem Traum verloren,
Er fühlt sich kräftig neugeboren.

Bald am jenseitigen Gestad
Erstaunt der Wandersmann sich fand, 
Ein morgenrother Schein ihm naht,
Das alte Licht wird gleich erkannt,
Doch größer wohl zu tausendmalen
Gleich einem Stern sieht er es strahlen.

Und leuchtend aus der Herrlichkeit
Ein schöner Jüngling tritt alsbald,
Der Pilger froh verwundert schreit,
Befreundet däucht ihm die Gestalt –
Zwei Brüder sind’s, die sich im Schatten
Des großen Walds verloren hatten. –

Und nun mit junger Adler Schwung
Sie ziehen mit einander fort,
Wohl um die erste Dämmerung
Erreichen sie den Liebesort,
Der Mond im Abend schlafen gehet,
Die Sonn’ im Morgen auferstehet.

Wezel.

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Letzte Aktualisierung 30-Mär-2003
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