XVIII. Wanderers
Nachtlager.
Die
Sonne durch den schwarzen Wald
Warf ihren letzten rothen Schein,
Von
fern das Vesperglöcklein hallt
Ins heimliche Gebüsch hinein,
Der
Wandersmann mit saurem Tritte
Verdoppelt
keuchend seine Schritte.
Er
will sich zwingen über Macht,
Ihn zwingt die stärkere Natur,
Vor’m
Auge nebelt’s ihm wie Nacht,
Und er verliert des Weges Spur.
Im
Schatten dunkelgrüner Hecken,
Muß
er sich endlich niederstrecken.
Und
sieh, der Boden, da er ruht,
Bezieht mit Eis sich wunderbar,
Wiewohl
es mitten in der Gluth
Des schönsten Sommers eben war,
Auch
ein empfindlich kühles Wehen
Fängt
an ins Antlitz ihm zu gehen.
Ein
Schneegestöber zart und dicht,
Mit kaltem Schau’r umrieselt ihn,
Gemach
erlischt der Sonne Licht,
Die Wolken immer tiefer ziehn,
Und
unter ihm er hört ein Sausen,
Als
eines nahen Wassers Brausen. <55:>
Wohl
dreimal wechselt er den Ort,
Weil ihm das Bett von Schnee zu kalt,
Doch
Schnee und Reif fällt hie und dort,
Und Eis friert unter ihm alsbald,
Nun
eilt der Schlummer, wider Willen
Das
müde Auge zu verhüllen.
Bald
will’s ihm dünken, er erwacht,
Die Sonne ist schon tief hinab,
Er
tappt um sich in blinder Nacht,
Fort ist sein Bündel, weg sein Stab,
Am
schwarzen Himmel, ohne Flimmern,
In
stillem Licht die Sterne schimmern.
Im
Dunkel weit und breit er streicht,
Zu suchen den verlornen Weg,
Doch
wildfremd ihm die Gegend däucht,
Er findet weder Weg noch Steg,
Der
dicke Wald von allen Seiten
Scheint
ohne Ende sich breiten.
Er
legt das Ohr wohl an den Grund,
Nach Menschenhülf’ er ängstlich ruft,
Da
regt sich weder Mensch noch Hund,
Ist still und stumm wie in der Gruft,
Zuletzt
gewahrt er fern im Dunkeln
Ein
Licht, das auf ihn zukömmt, funkeln.
Deß
war der Wandrer herzlich froh,
Weil er’s für Menschennähe nahm,
Doch
schien es ferne lichterloh,
Ward’s kleiner, wie es nahe kam,
So
hatt’ ihn Nebeldunst betrogen,
Ein
Glühwurm kömmt auf ihn geflogen.
Und
freundlich grüßt der Wurm und blies
Das blaue Flämmchen stärker an,
Und
sprach: Die schöne Herrin hieß
Mich nach dir gehn, du fremder Mann,
So
komm nach ihrem Rosengarten,
Wo
Sie und ihre Jungfraun warten. <56:>
Hast
Aug’ im Auge ihr geschaut,
Trankst ihrer Stimme Honigseim,
Erwählst
sie flugs zur ew’gen Braut,
Verlangst wohl nimmer wieder heim –
Nun
schweig’ und fleug zum süßen Orte,
Wir
lieben hier nicht viele Worte.
Sie
kommen an ein Wasser nun,
Nicht breit, doch schien es tief zu sein:
Hier
muß ich aus mein Lämpchen thun,
Spring (sprach der Wurm) nur keck hinein,
Du
mußt den Sprung im Finstern wagen,
Dieß
Wasser will kein Licht vertragen.
Nun
stürzt der Pilger in die Fluth,
Und überläßt sich ihrem Spiel,
Sie
brannte wie in heller Gluth,
Und war doch gar anmuthig kühl,
In
wundersüßem Traum verloren,
Er
fühlt sich kräftig neugeboren.
Bald
am jenseitigen Gestad
Erstaunt der Wandersmann sich fand,
Ein morgenrother Schein ihm naht,
Das alte Licht wird gleich erkannt,
Doch
größer wohl zu tausendmalen
Gleich
einem Stern sieht er es strahlen.
Und
leuchtend aus der Herrlichkeit
Ein schöner Jüngling tritt alsbald,
Der
Pilger froh verwundert schreit,
Befreundet däucht ihm die Gestalt –
Zwei
Brüder sind’s, die sich im Schatten
Des
großen Walds verloren hatten. –
Und
nun mit junger Adler Schwung
Sie ziehen mit einander fort,
Wohl
um die erste Dämmerung
Erreichen sie den Liebesort,
Der
Mond im Abend schlafen gehet,
Die
Sonn’ im Morgen auferstehet.
Wezel.