VIII. Die sterbende
Maria.
Nach einem altdeutschen Bilde auf dem Schlosse zu
Nürnberg.
Als gekommen nun der
Tag,
Der
Mariam zöge nach,
Unsre
Mutter, ihrem Sohn,
Der
von hinnen war geflohn;
Sprach sie sterbend:
mir erbangt,
Nach
dem Gärtlein mich verlangt,
Aus
dem Haus laßt mich von hinn’,
Zu
den Rosen setzt mich hin.
Wie sie bei den Rosen
saß,
Ihre
Seele halb genaß,
Sagte
sterbend: ich mich freu’,
Ach!
vor’m Tod hab’ ich nicht Scheu.
Nur mich macht so
schmerzenvoll
Daß
ich arme Mutter soll
Scheiden
ohne Jesum Christ,
Der
zuvor gen Himmel ist. – <37:>
Und ein Engel stand
fürwahr
Vor
ihr da im goldnen Haar:
Engel,
wohl ich dich erkenn’
Hast
verkündet mir den Herrn.
„O Maria! sei gegrüßt.
Himmelsglanz
dich schon umfließt.
Zage
nicht, o Jungfrau hold,
Zag’
nicht, daß du sterben sollt!“
Und wie sollt’ ich
zagen nicht,
Sterbend
drauf Maria spricht;
Keine
Mutter war so arm,
Starb
doch in des Sohnes Arm.
Aber ach! wo ist mein
Kind?
Engel,
dieses mir verkünd.
Jesu,
du mein ein’ger Sohn,
Jesus,
du bist fortgeflohn! –
Und er hob die Augen
auf,
Zeigte
zum Gewölk hinauf,
Drinnen
saß Gott Vater mild,
Jesulein
im Arme hielt.
Jesulein mit Flügelein
Beugt
sich zu der Mutter sein:
„Hör’,
lieb’ Mutter, mich vernimm,
Höre
deines Kindes Stimm’.
Von der Welt nun Urlaub
nimm,
Auf
den Regenbogen klimm,
Komm,
du liebe Mutter süß
In
des Vaters Paradies.“
Ja ich scheid’, du
liebster Sohn,
Zeuch
mich hin vor Gottes Thron!
Zeuch
so am Verjüngungstag
Mir
die ganze Erde nach! –
Wie Maria so erblich,
Mehren
rings die Wölkchen sich,
Ach!
es streut sie Jesulein,
Deckt
ihr’n Leib mit Blümelein. <38:>
O du selig, selig
Weib!
Noch
im Tode blüht dein Leib,
Thau
des Himmels fällt auf ihn,
Macht
die Rosen ewig blühn.
Graf O. Heinr.
von Löben.