V. Die versäumte
Kirche.
(1807.)
Da
warten und stehen
Und lauern wir hier.
Die Kirch’ soll angehen,
Noch zu ist die Thür,
Es will noch nicht läuten,
Was soll das bedeuten?
Es kömmt noch kein Küster,
Wo bleibt nur der Priester?
Was stehen wir hier?
Laßt uns vor den Thüren
Ein wenig spazieren,
Auf die Gräber uns setzen,
Eins plaudern und schwätzen.
Der
Hauffen verläuft sich,
Verbröckelt, verstreut sich, <30:>
Die Kreuz und die Queer,
Auf dem Kirchhof umher.
Die
Mädchen und Frauen
Beschnüffeln, beschauen
Einander die Kleider,
Preißt jed’ ihren Schneider,
Die Augen ’rum gehen,
Ob die Herren sie sehen:
„Wie wird sie nur kommen
In Gall’ angeschwommen
Heut Abend zum Ball,
Und – kam doch zu Fall!“
Alt’
Muhmen und Basen,
Die rümpfen die Nasen,
Daß die Jugend nicht alt,
Und das Feuer nicht kalt.
Ein
Närrchen dort stehet,
Von Hochgefühl krähet,
Im Sonnenscheine
Gleich macht’s ein Gedicht
Auf’n Mond im Gesicht
Der ganzen Gemeine.
Ach
komm du nach Haus,
Was stehen wir draus?
Was wollen wir warten?
Wir spielen eins Karten.
Ist Alles doch Spuk,
Das Gesing’ und Gebimmel,
Wir kommen in ’n Himmel
Noch Zeit genug.
Drei
starke Geister,
Der sieben Künste Meister,
Die hüpfen dort flüchtig,
Und thun hochwichtig,
Die Sprüchlein und Reime
Auf den Leichensteinen
Hohnlächelnd sie lesen,
Wie die gut’ alte Zeit
So gar dumm gewesen,
Und – sie so gescheidt!
Manch’
lockre Gesellen
Den Mägdlein nachstellen,
Die zierlichen Affen,
Sie schmunzeln und gaffen,
Durch’s Guckglas besehn,
Ob’s häßlich, ob schön?
Ob’s eckig, ob rund?
Wie die Nas’ und der Mund?
„Der
Türk’ ist geschlagen!“
Ey, was Sie da sagen!
Schrein hundert Zungen,
Und sogleich ist ein Kreis
Um den Mann her geschlungen,
Der Alles weiß.
O
hätt’ ich nur Geld,
So hätt’ ich die Welt,
Wollt’s auch wohl wagen,
’Mal drein zu schlagen,
So zieht man bedächtlich
Die Hörner ein,
Lebt lieber verächtlich,
Sonst steckt man uns ein,
Schießt uns wohl gar todt –
O gebt uns nur Brod!
Der
Mann da hat Recht,
Wer kein Geld hat, ist Knecht,
Wer Geld hat, ist Kaiser,
Wär’ einer auch weiser,
Als Salomo,
Um ’n Kupferdreier
Ist er uns zu theuer,
Gilt kein’n Halm Stroh. <31:>
„War
mir es doch eben,
Als läutet ’s“ – Nein, nein,
Der Wind wirds sein –
Ja, der Wind wirds sein!
Fällt Chorus ein,
Was sollt’ es sonst geben,
Als Wind, Wind, Wind?
Das merk dir, mein Kind!
Das
Glockenläuten,
Was hilfts den Leuten?
Ist schlechte Zeit,
Schafft ab das Geläut,
Schmelzt ein das Metall,
Macht Knöpf’ draus und Schnall’.
„O
die Erde bricht ein,
Die Gräber erbeben,
Ein’n Schein seh ich eben,
Ein’n feurigen Schein
Aus den Gräbern dort schweben,
In die Kirche hinein,
Die Gräber rüttelts zusammen,
Die Kirch’ steht in Flammen,
Was muß das sein!“
Ein
Blitz, sonst nichts,
Eine Brechung des Lichts,
Electricität,
Wer’s nur versteht,
Ihr Gespenster nur seht,
Den Kopf verdreht.
„Die
Orgel hör’ ich brummen,
Gesänge summen,
Hört ihr nichts? Hu! hu!
Das geht nicht zu
Mit rechten Dingen –“
Habt Ohrenklingen!
„Nun
hör’ ich fürwahr
Auch predigen gar,
Recht vernehmlich und stark,
Mir zittert das Mark,
O laßt uns entrinnen!“
Ihr seid nicht bei Sinnen!
Zwölf
schlägt’s vom Thurm,
Da hebt sich ein Sturm,
Und der feurige Schein
Aus dem Gotteshaus
Fährt wieder heraus,
In die Gräber hinein.
Wie
geht’s an ein Laufen
Bei Groß und bei Klein!
Da tritt in den Haufen
Der Teufel hinein:
Ihr Alle seid mein!
Mögt euch nicht bemühen,
Mir gar zu entfliehen,
Die Todten aufstehen,
Zur Kirche gehen,
Daß Gottes Wort
Nicht gar verdorrt,
Ihr lebendig Todte,
Nur wühlend im Kothe,
Müßt Alle zur Stelle
Mit mir in die Hölle,
Es soll euch vergehen,
Hinter die Kirche zu gehen.
Mit
Haut und mit Haar
Sie Alle verstieben,
So geschehen im Jahr
1807.