VIII. Fragmente
aus einer Vorlesung.
– – Unter die merkwürdigsten Fälle
von sogenannten Menschen-Versteinerungen gehört wohl
der, dessen Hülpher, Cronstädt und die schwedischen
gelehrten Tagebücher gedenken. Auch hier zerfiel ein
dem Anscheine nach in festen Stein verwandelter Leichnam
nach wenig Jahren in eine Art von Asche, obgleich man
ihn unter einem Glasschrank vor dem Zutritt der Luft
zu verwahren gesucht. Man fand diesen ehemaligen Bergmann,
in der schwedischen Eisengrube zu Falun, als
zwischen zween Schachten ein Durchschlag
versucht wurde. Der Leichnam, ganz mit Eisenvitriol
durchdrungen, war anfangs weich, wurde aber, sobald
man ihn an die Luft gebracht, so hart wie Stein. Funfzig
Jahre hatte derselbe in einer Tiefe von mehr als 200
Ellen, in dem Vitriolwasser jener Grube gelegen, und
niemand hätte die noch unveränderten Gesichtszüge des
verunglückten Jünglings erkannt, niemand die Zeit, seit
welcher er in dem Schachte gelegen, gewußt, hätte nicht
das Andenken der ehemals geliebten Züge, eine alte treue
Liebe bewahrt. Denn als um den kaum hervorgezogenen
Leichnam das Volk, die unbekannten jugendlichen Gesichtszüge
betracht- <68:> tend, steht, da kömmt an Krücken
und mit grauem Haar ein altes Mütterchen, mit Thränen
über den geliebten Todten, der ihr verlobter Bräutigam
gewesen, hinsinkend, die Stunde segnend, da ihr noch
an den Pforten des Grabes ein solches Wiedersehen gegönnt
war, und das Volk sahe mit Verwunderung die Wiedervereinigung
dieses seltnen Paares, davon das Eine, im Tode und in
tiefer Gruft, das jugendliche Aussehen; das Andre, bei
dem Verwelken und Veralten des Leibes die jugendliche
Liebe, treu und unverändert erhalten hatte, und wie
bei der funfzigjährigen goldnen Hochzeit, der noch jugendliche
Bräutigam starr und kalt, die alte und graue Braut voll
warmer Liebe gefunden wurde. – –
– – Nicht allein die nördliche Welt
wie besonders von Sibirien, dem nördlichsten America
und Island bekannt ist, verbirgt unter ihren obersten
Gebirgsschichten die Überreste einer ungemein üppigen
Thier- und Pflanzenwelt, deren Geschlechter jetzt zwischen
den Wendekreisen leben, sondern auch nach dem Südpol
hin muß vor Zeiten das Land von üppiger Vegetazion und
einer reichen Thierwelt geschmückt gewesen sein. Zwar
kennt man die Versteinerungen des Feuerlandes und der
angränzenden Gegenden noch nicht, man hat aber fast
auf jeder Seereise in dieses Klima, die schwarzen und
kahlen Klippen jener Wildniß, von häufigem vulcanischen
Feuer rauchen sehen, und das zerspaltene, jähe Aussehen
der Felsen, spricht von einer langen Arbeit der Vulcane.
Dieses Eyland scheint mithin an Brennmaterialien und
an Fülle der Vorräthe, die aus einer frühern Vegetazion
erhalten sind, Island mit seinen unterirdischen Palmenwäldern
nichts nachzugeben. So wetteiferten einst Gegenden,
in denen jetzt kaum Zwerggebüsche aus dem fast immer
gefrornen Boden hervorwachsen, an Üppigkeit mit den
fruchtbarsten Ländern der Wendekreise.
Der
Mensch allein, wenn die Wesen aller Art der veränderten
Welt entfliehen, und die ganze lebendige Natur sich
zum Hinwegziehen rüstet, bleibt noch zuletzt auf den
einsamen Trümmern zurück, weil die Liebe und alte Anhänglichkeit
des Gemüths, die starren Felsen verschönern. Andre Wesen
sehen die Welt nur in ihrem natürlichen Reiz, der Geist
des Menschen fügt diesem noch einen neuen Schimmer hinzu.
So ist jetzt jene nordische Nachtigall, deren einfach
klagende Töne die Reisenden früherer Jahrhunderte beschrieben,
sammt den dunkelgrünen Wäldern und den Rosenlauben aus
Island verschwunden. Auf ödem Gebirge, welchem der Sommer
jetzt kein grünes Laub, sondern nur Gras und Blumen
zurück bringt, singt der Mensch, noch immer fröhlich,
den allgemeinen Verfall nicht bemerkend, die alten Lieder
seiner Väter, von jenen anjetzt verschwundenen Lauben,
dem tiefen Grün und dem Gesang der Nachtigall.
Dr. G. H. Schubert.