II. Der Alte und
sein Übersetzer.
Übersetzer
an seinem Schreibtisch mit einer neuen Ausgabe des Alten
beschäftigt.
Es pocht.
Übersetzer.
Wer da nun wieder kommen mag!
So
gehts den lieben langen Tag!
Jung’,
schau doch ’mal zur Thür’ hinaus,
Sag’
nur, ich bin heut nicht zu Haus.
Junge
kömmt erschrocken zurück und spricht:
Papa!
ach welch entsetzlich Bild!
Mit
Feueraugen groß und wild,
Ein
Bart, schloßweiß bis an das Knie,
Solch
Ungethüm sah’ ich noch nie!
Ein
Riese! Knochen wie von Eisen,
Will
zu dir, läßt sich nicht abweisen,
Spricht
griechisch das seltsame Thier,
Und
in Hexametern, däucht es mir,
Vor
Schreck konnt’ ich kein’n Finger biegen, (dactylus)
Kein’n
Fuß schier von der Stelle kriegen. (pes)
Übersetzer.
Ei, ei! du bist doch sonst nicht faul,
Tummelst
tüchtig des Hexameters Gaul,
Mußt
ja selbst Göthe’s Hermann die Stiefel putzen,
Dorotheen
die Füße zum Tanze stutzen –
Nun,
laß den seltnen Gast nur ein –
(für
sich)
Mein!
sollt’s der hällische Wolf wohl sein?
Junge.
Ja! ja! der höllische Wolf, Papa!
Übersetzer
(sich in die Lippen beißend)
Dummkopf! es giebt keinen Teufel ja!
(Junge
ab)
Der Alte
(eintretend) Friede sei mit
dir! ein alter Mann
Spricht
um einen Trunk dich an.
Übersetzer.
Hier ist keine Schenke, wie Er wohl meint –
(den
Alten mit den Augen messend)
Wer
ist Er denn, mein lieber Freund?
Der Alte.
Dein Gastfreund rühm’ ich mich zu sein,
Drum
kehr’ ich freundlich bei dir ein. <22:>
Dort,
wo in sel’ger Götter Kreis
Ich
jetzo sing’ Achilleus Preis,
Odysseus
auch, der Griechen Zier,
Kam
eine Stimme fern zu mir,
Du
machtest deinem Vaterland
In
deutscher Zunge mich bekannt.
Da
dacht’ ich denn in meinem Sinn,
Am
besten, du gehst selber hin,
Wenn
ihm mein Angesicht erscheint,
Vielleicht
merkt Er’s, wie ich’s gemeint –
Gieb
her das Blatt –
(er liest sehr aufmerksam in dem
Buche – nach einer langen Pause das Buch weglegend –
kopfschüttelnd)
Mein
Schatten blos,
Zwar
zielt er, doch er schießt nicht los.
Übersetzer.
Hilf Himmel! wie? du wärst Homer?
Es
ist unmöglich! Nimmermehr!
Für
solchen tollen Geisterspuck,
Mein
Lieber, sind wir jetzt zu klug;
Drum
weg die Larve! sei gescheidt!
Hab’
zum Narriren keine Zeit.
Der Alte.
Wie aber mochtest du dich erkühnen,
Zu
schreiben, ich sei dir schon erschienen?
Übersetzer.
Ich weiß, vor meiner Ilias
Da
stehts! allein das ist nur Spaß.
Auch
siehst du dort gar anders aus,
Erscheinst
in vollem Saus und Braus,
In
Morgenrothes Glorie,
Daß
Feld und Wald rings leuchtete.
Der Alte.
Ach, Bester! nein, an solche Pracht,
Hab’
ich mein Lebtag nicht gedacht.
Ich
lobt’ und sang, was ich gehört,
Und
was die Muse mir gelehrt,
Denn
sie ja liebt nach ew’gem Recht
Der
Sänger heiliges Geschlecht.
Übersetzer.
Die Muse? wie? dran glaubst du noch?
In
meiner Weihe sagt’ ich doch,
Du
seist jetzt viel mehr aufgeklärt,
Habst
dich vom Heidenthum bekehrt.
Und
sängest vor Allvaters Thron
Erbaulich
mit Isai’s Sohn. <23:>
Der Alte.
O du höchst wunderlich Gesicht!
Verständest
du doch mein Gedicht,
Und
könntest meine Seele fassen,
Hätt’st
solch Nachmachen bleiben lassen,
Würd’st
hinterdrein nicht ausgelacht,
Daß
du vorher dich breit gemacht,
Du
sähst an meiner Seite dich
Im
Himmel schon sitzen gar ehrbarlich.
Mir
stets nur menschlich Wort erschallt,
Dein
kostbar Steingut nur behalt!
Übersetzer.
Wie soll man dich denn übersetzen,
Daß
auch das Volk dich lerne schätzen?
Der Alte.
Nur durch lebendig Hauch und Wort
Pflanzt
sich mein Lied lebendig fort,
Wollt
ihr mich in Buchstaben zwingen,
Fürwahr,
es wird euch nicht gelingen!
Es
geh’ mein Lied von Mund zu Munde.
Wie’s
glücklich ausgebiert die Stunde,
Der
Geist durchsichtig, flüchtig zart
Auf
dem Papier zu Eis erstarrt,
Der
goldne Fluß in Sand verkrochen,
Dem
Wort die Flügel entzwei gebrochen.
So
lob’ ich deine Künstlerhand,
Geglättet,
gefeilt mit viel Verstand,
Die
Verse richtig nachgezählt,
Für
jedes Wort der Platz gewählt,
Ein
Werk von deutschem Schweiß und Fleiß,
Doch,
daß Ichs bin, macht mir nicht weiß.
Mein
Haar hieng schlicht mir um den Kopf,
Du
drehtest mir ein’n steifen Zopf,
Nicht
schön und hoch genug war ich dir,
Du
gabest Schmink’ und Stelzen mir,
Übersetztest
jeden Alltagswind
In
Donner- und Feuerorkan geschwind,
Das
poltert und rollt und blitzt und kracht,
In
centnerschwerer Gallapracht,
Die
einfach göttliche Gestalt
Mit
Rauschgold und Katzensilber bemalt,
Des
Wortes freie Götterwelt
Mit
dem Stock in Reih’ und Glied gestellt,
Ja
Kindlein gar und Jungfrau’n zart <24:>
Reden
nach Professoren-Art –
Und
o wo ist dein schöner Leib,
O
Sprache, göttergleiches Weib!
Der
Seele seelengleiche Hülle?
Der
Glieder blühend süße Fülle?
Dein
Mund so tonreich und so rund?
Die
Brüste voll und kerngesund?
Daran
mit ewigem Ergötzen
Sich
Herz und Auge mochte letzen –
Wo
deiner Füße goldner Reigen,
Dem
Well’ und Wind gehorsam schweigen? –
Ach
auf der metrischen Tortur
Krümmt
sich die herrliche Natur,
Seh’
ich den holden Leib verrenken
An
allen Gliedern und Gelenken!
Das
alte Kleid paßt ihr wohl an,
Doch
ist und bleibt’s ein hölzern Mann,
Was
dort lebendig frei sich regt,
Sich
künstlich hier am Drath bewegt,
Klingt
nicht in Ohr und Herz hinein,
Bleibt
leider in Fingern und Füßen allein,
Mit
allen euren Hexametersprüngen
Seid
ihr Bären, die unter die Musen giengen,
Denn
was nicht frei und kerngesund
Aufsproßt
aus eignem Lebensgrund
Gleichwie
Gewächs’ und Bäum’ im Wald,
Das
war nie jung, das wird nie alt.
Doch
wer so geübt im Voltigiren,
Daß
er, ohn’ sein Urbild zu berühren,
Oft
übersetzt, wie du gethan,
Sein
nehm’ ich mich nicht weiter an,
Auch
darf er, Niemand wird’s ihm wehren,
Mich
geographice erklären,
Die
Poesie in deutsche Meilen,
In
Grade der Länge und Breite theilen,
Daß
jeder Tropf mit dem Cirkel gleich mißt,
Wie
weit’s nach der Insel der Kalypso ist.
(verschwindet)
Übersetzer.
Nein, beim Homeros! dies Gesicht
Setz’
ich vor die neue Ausgabe nicht!
Q.
D. B. F.