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<Friedrich Gottlob Wetzel>, II. Der Alte und sein Übersetzer, 21-24

II. Der Alte und sein Übersetzer.

Übersetzer an seinem Schreibtisch mit einer neuen Ausgabe des Alten beschäftigt.

Es pocht.

Übersetzer. Wer da nun wieder kommen mag!
So gehts den lieben langen Tag!
Jung’, schau doch ’mal zur Thür’ hinaus,
Sag’ nur, ich bin heut nicht zu Haus.
Junge kömmt erschrocken zurück und spricht:
Papa! ach welch entsetzlich Bild!
Mit Feueraugen groß und wild,
Ein Bart, schloßweiß bis an das Knie,
Solch Ungethüm sah’ ich noch nie!
Ein Riese! Knochen wie von Eisen,
Will zu dir, läßt sich nicht abweisen,
Spricht griechisch das seltsame Thier,
Und in Hexametern, däucht es mir,
Vor Schreck konnt’ ich kein’n Finger biegen,    (dactylus)
Kein’n Fuß schier von der Stelle kriegen.          (pes)
Übersetzer. Ei, ei! du bist doch sonst nicht faul,
Tummelst tüchtig des Hexameters Gaul,
Mußt ja selbst Göthe’s Hermann die Stiefel putzen,
Dorotheen die Füße zum Tanze stutzen –
Nun, laß den seltnen Gast nur ein –
(für sich)
Mein! sollt’s der hällische Wolf wohl sein?
Junge. Ja! ja! der höllische Wolf, Papa!
Übersetzer (sich in die Lippen beißend) Dummkopf! es giebt keinen Teufel ja!
(Junge ab)
Der Alte (eintretend) Friede sei mit dir! ein alter Mann
Spricht um einen Trunk dich an.
Übersetzer. Hier ist keine Schenke, wie Er wohl meint –
(den Alten mit den Augen messend)
Wer ist Er denn, mein lieber Freund?
Der Alte. Dein Gastfreund rühm’ ich mich zu sein,
Drum kehr’ ich freundlich bei dir ein. <22:>
Dort, wo in sel’ger Götter Kreis
Ich jetzo sing’ Achilleus Preis,
Odysseus auch, der Griechen Zier,
Kam eine Stimme fern zu mir,
Du machtest deinem Vaterland
In deutscher Zunge mich bekannt.
Da dacht’ ich denn in meinem Sinn,
Am besten, du gehst selber hin,
Wenn ihm mein Angesicht erscheint,
Vielleicht merkt Er’s, wie ich’s gemeint –
Gieb her das Blatt –
(er liest sehr aufmerksam in dem Buche – nach einer langen Pause das Buch weglegend – kopfschüttelnd)
Mein Schatten blos,
Zwar zielt er, doch er schießt nicht los.
Übersetzer. Hilf Himmel! wie? du wärst Homer?
Es ist unmöglich! Nimmermehr!
Für solchen tollen Geisterspuck,
Mein Lieber, sind wir jetzt zu klug;
Drum weg die Larve! sei gescheidt!
Hab’ zum Narriren keine Zeit.
Der Alte. Wie aber mochtest du dich erkühnen,
Zu schreiben, ich sei dir schon erschienen?
Übersetzer. Ich weiß, vor meiner Ilias
Da stehts! allein das ist nur Spaß.
Auch siehst du dort gar anders aus,
Erscheinst in vollem Saus und Braus,
In Morgenrothes Glorie,
Daß Feld und Wald rings leuchtete.
Der Alte. Ach, Bester! nein, an solche Pracht,
Hab’ ich mein Lebtag nicht gedacht.
Ich lobt’ und sang, was ich gehört,
Und was die Muse mir gelehrt,
Denn sie ja liebt nach ew’gem Recht
Der Sänger heiliges Geschlecht.
Übersetzer. Die Muse? wie? dran glaubst du noch?
In meiner Weihe sagt’ ich doch,
Du seist jetzt viel mehr aufgeklärt,
Habst dich vom Heidenthum bekehrt.
Und sängest vor Allvaters Thron
Erbaulich mit Isai’s Sohn. <23:>
Der Alte. O du höchst wunderlich Gesicht!
Verständest du doch mein Gedicht,
Und könntest meine Seele fassen,
Hätt’st solch Nachmachen bleiben lassen,
Würd’st hinterdrein nicht ausgelacht,
Daß du vorher dich breit gemacht,
Du sähst an meiner Seite dich
Im Himmel schon sitzen gar ehrbarlich.
Mir stets nur menschlich Wort erschallt,
Dein kostbar Steingut nur behalt!
Übersetzer. Wie soll man dich denn übersetzen,
Daß auch das Volk dich lerne schätzen?
Der Alte. Nur durch lebendig Hauch und Wort
Pflanzt sich mein Lied lebendig fort,
Wollt ihr mich in Buchstaben zwingen,
Fürwahr, es wird euch nicht gelingen!
Es geh’ mein Lied von Mund zu Munde.
Wie’s glücklich ausgebiert die Stunde,
Der Geist durchsichtig, flüchtig zart
Auf dem Papier zu Eis erstarrt,
Der goldne Fluß in Sand verkrochen,
Dem Wort die Flügel entzwei gebrochen.
So lob’ ich deine Künstlerhand,
Geglättet, gefeilt mit viel Verstand,
Die Verse richtig nachgezählt,
Für jedes Wort der Platz gewählt,
Ein Werk von deutschem Schweiß und Fleiß,
Doch, daß Ichs bin, macht mir nicht weiß.
Mein Haar hieng schlicht mir um den Kopf,
Du drehtest mir ein’n steifen Zopf,
Nicht schön und hoch genug war ich dir,
Du gabest Schmink’ und Stelzen mir,
Übersetztest jeden Alltagswind
In Donner- und Feuerorkan geschwind,
Das poltert und rollt und blitzt und kracht,
In centnerschwerer Gallapracht,
Die einfach göttliche Gestalt
Mit Rauschgold und Katzensilber bemalt,
Des Wortes freie Götterwelt
Mit dem Stock in Reih’ und Glied gestellt,
Ja Kindlein gar und Jungfrau’n zart <24:>
Reden nach Professoren-Art –
Und o wo ist dein schöner Leib,
O Sprache, göttergleiches Weib!
Der Seele seelengleiche Hülle?
Der Glieder blühend süße Fülle?
Dein Mund so tonreich und so rund?
Die Brüste voll und kerngesund?
Daran mit ewigem Ergötzen
Sich Herz und Auge mochte letzen –
Wo deiner Füße goldner Reigen,
Dem Well’ und Wind gehorsam schweigen? –
Ach auf der metrischen Tortur
Krümmt sich die herrliche Natur,
Seh’ ich den holden Leib verrenken
An allen Gliedern und Gelenken!
Das alte Kleid paßt ihr wohl an,
Doch ist und bleibt’s ein hölzern Mann,
Was dort lebendig frei sich regt,
Sich künstlich hier am Drath bewegt,
Klingt nicht in Ohr und Herz hinein,
Bleibt leider in Fingern und Füßen allein,
Mit allen euren Hexametersprüngen
Seid ihr Bären, die unter die Musen giengen,
Denn was nicht frei und kerngesund
Aufsproßt aus eignem Lebensgrund
Gleichwie Gewächs’ und Bäum’ im Wald,
Das war nie jung, das wird nie alt.
Doch wer so geübt im Voltigiren,
Daß er, ohn’ sein Urbild zu berühren,
Oft übersetzt, wie du gethan,
Sein nehm’ ich mich nicht weiter an,
Auch darf er, Niemand wird’s ihm wehren,
Mich geographice erklären,
Die Poesie in deutsche Meilen,
In Grade der Länge und Breite theilen,
Daß jeder Tropf mit dem Cirkel gleich mißt,
Wie weit’s nach der Insel der Kalypso ist.
(verschwindet)
Übersetzer. Nein, beim Homeros! dies Gesicht
Setz’ ich vor die neue Ausgabe nicht!

Q. D. B. F.

 

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