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Edwin H. Zeydel, Percy Matenko, Robert Herndon Fife (Hrsg.), Letters of Ludwig Tieck (New York: Modern Language Association of America, London: Oxford University Press 1937), 68-70

Ludwig Tieck an Georg Andreas Reimer, Ziebingen, 28. 2. 1817

Zibingen, den 28tn Febr. 17.

Ich sende Ihnen hier, mein theuerster Freund, die letzten Bogen des D. Quixote, und hoffe daß sie dieselben bis jezt noch nicht vermißt haben werden. Ich habe längere Zeit darauf zugebracht, als ich gehofft hatte, und am meisten bei gantz unbedeutenden Kleinigkeiten. Mein Wunsch geht nun dahin, daß ich sehr bald Gelegenheit haben möchte, den Ersten Theil umzuarbeiten, welcher dieser Nachhülfe von allen am meisten bedarf. Mir ist es immer sehr unangenehm, daß die Ungersche Handlung und meine Krankheit mir es damals unmöglich machten, eine wahre, neugeschaffne neue Ausgabe heraus zu geben: mir sind bei diesem Buche auch die undeutlichen Lettern so fatal, der Druck ist eng und schlecht und die Ungernschen Lettern haben mir überhaupt niemals gefallen wollen. Melden Sie mir doch bei Gelegenheit, ob Aussicht ist, den Ersten Th. weiter aufzulegen, ich habe schon seit lange vorgearbeitet zu einer neuen Ausgabe. Ich erwarte nun ein Exempl. bald, wiederhole aber meine schon alte Bitte, mir für einen Freund, der das Buch sehr liebt, aber wirklich nicht zu kaufen im Stand ist, zugleich nach dem Abdruck ein vollständiges Exempl. aller 4 Bände hinzu zu fügen. Sie versprachen es mir früher gleichsam zur Hälfte, im Fall d[er] Mann es doch nicht kaufen würde.
In acht Tagen erhalten Sie den Ersten Bd. des Theaters, von dem ich die Einrichtung des Druckes Ihnen überlassen muß, und wie starck der Band werden soll, denn man kann Ein und auch vielleicht mehr Stücke zum zweiten aufsparen. Es muß ziemlich viel auf eine Seite gebracht, und die Namen der Personen immer vor, niemals darüber gedruckt werden, um Raum zu sparen, nur ist es die Frage, ob sich dies im zweiten B. mit den Alexandrinern auch wird möglich machen lassen. Aber einen <69:> guten Corrector werden Sie brauche, wegen der alten Orthografie in diesen ersten Theilen. Meine Vorrede erhalten Sie zugleich mit.
Wenn Sie mir doch durch Schütz die Originale von Herrmann und dem Printzen von Homburg von Kleist wieder könnten zukommen lassen, denn Ihre Copien werden Sie behalten wollen, um sogleich, wie Sie meine Vorrede haben, den Druck anzufangen, und ich lese gern die Gedichte noch einmal, weil ich meinem Gedächtniß, so gut es sonst ist, nicht gantz vertraue. Auch bitte ich Schütz die Abendblätter, und die sichere Nachweisung, was darin von Kleist ist, ja mitzubringen. Keiner von allen neueren Autoren verdiente so wie dieser eine vollständig neue Ausgabe aller seiner Schriften. Leihen Sie mir doch durch Schütz auf einige Zeit die neuen Sachen von Hofmann, die Sie verlegt haben.
Wie mir meine Reise nach England auf der einen Seite große Freude macht, so stört sie mich doch auch wieder sehr in meinen Arbeiten. Für meinen Shaksp. hätte mir durchaus nichts Erwünschteres kommen können, und kann ich in London lesen und abschreiben und exzerpiren hundert Sachen, die ich in Deutschland nicht vor Augen kriegen und von dort eben so wenig kaufen kann, und wenn ich auch Tausende daran zu wenden hätte. In dieser Hinsicht ist es mir lieb, daß sich die Herausgabe meines Buches noch verzögert hatte, denn ich werde nun viele Dinge gantz anders untersuchen und verifiziren können.
Glauben Sie nicht, daß ich meinen Sternbald aus den Augen verliehre. In einer Hinsicht ist es immer noch mein liebstes Werck, und ich hoffe es auch mit derselben jugendlichen Vorliebe zu vollenden, mit welcher ich es damals angefangen habe. Darinn verstehe ich überhaupt so manche Dichter nicht, daß bei reiferen Jahren sie so manche ihrer früheren Schriften zurück nehmen, oder wenigstens gantz anders schreiben möchten. Meine Plane sind immer noch dieselben, wie in jenen Jahren, und die, welche seitdem hinzugekommen sind, widersprechen den früheren auf keine Weise. Ich nehme davon meine ersten gantz unreifen Versuche aus, die auch mehr Buchhändler bestellungen waren, die mein leichter Sinn, und meine Gleichgültigkeit gegen Publikum, Rezensenten und Ruhm nicht von der Hand wieß, wie jener Peter Lebrecht, vieles in den Straußenfedern.
Könnte ich auf meiner Reise nur Gesundheit haben? Ich bin zwar des Leidens gewohnt, und alle die mit mir leben sind mich nun auch in dieser Gestalt gewohnt geworden, aber, so wenig ich klage, so fühle ich doch oft, wie sehr es mich stört, meine Laune unterdrückt und mir alles Gute erschwert, dann befällt mich nur zu oft tiefe Melankolie, daß ich mit diesem Zustande nun wohl mein Leben beschließen müsse. Wieder <70:> kann es mir zum Trost gereichen, daß andre wohl noch weniger Geduld und Munterkeit des Geistes behalten würden, denn wenn ich beim Lesen, Sinnen und Dichten so recht vergesse, komme ich mir gesund vor, nur wenn ich dann aufstehn, mich bewegen will, so erwache ich plötzlich aus diesem Traum.
Sollten wohl auf der Berliner Bibliothek die Englischen Comedien und Tragedien, sein? Sie sind 1624 und 1630 herausgekommen. Sind sie dort, so senden Sie sie mir recht schnell. Ich bitte sehr darum. – Der Fiorillo ist zwar sehr theuer, haben Sie aber die Güte, ihn mir in gewöhnliche Pappe binden zu lassen, planirt, und so wenig als möglich beschnitten: ich liebe es, in diesen Büchern viel beizuschreiben. Sie machen mir Freude, wenn Sie mir ihn recht bald senden, auch meiner Reise wegen.
Ich lege einige Briefe bei, und bitte um die gütige Besorgung, zugleich mich den Ihrigen zu empfehlen, und mir Ihre Freundschaft zu erhalten, und so nenne ich mich
Den Ihrigen,
L. Tieck.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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