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Wulf Segebrecht, Ludwig Tieck an Eduard von Bülow, in: Jb. des Freien Deutschen Hochstifts 1966 (Tübingen: Niemeyer 1966), 384-456; darin: 408f.

Ludwig Tieck an Eduard v. Bülow, Berlin, 3. 2. 1846

Theuerster Freund,
Ihren Ersten Brief aus Stuttgard erhielt ich viel später, als Ihren Zweiten, da mir H.[err] Grüneisen ihn mir erst am Tage vor seiner Abreise überlieferte.
Daß Sie gesund, daß Sie sich wohl fühlen, erfreut mich innigst, daß Ihre liebenswürdige Freundinn auch wieder gesund und heiter ist, mach mich selbst heiter und vergnügt. Daß Sie nicht nach Pira reisen konnten, dem Sterbenden und seiner Frau zu helfen, hat mir sehr leid gethan, aus vielen Rüksichten, und es muß Ihnen jezt selber schmerzlich sein.
Ich weiß nicht, ob der Druck von Novalis schon angefangen hat. Ich bin immerdar krank und leidend gewesen, zulezt an Heiserkeit Schnupfen und Catharr.
Daß ich so bald für Sie das Johanniter-Kreutz habe erlangen können, macht mich glücklich und es ist ein neuer Beweis von der Huld meines Königes. Nach der Regel mußten Nachweisungen folgen von Ihrem Vater, in wessen Dienste er gestanden, wie lange, welchen Rang etc. etc. – Bei Ihrer Abwesenheit war ich nicht im Stande, darauf zu antworten, aber der König sagte zu Humbold (durch den allerdings Ihr Gesuch ging, weil ich krank war) Nun, wenn es Tieck wünscht, so kann ich es wohl thun. Worauf die Sache gleich beim Ordensfest ausgemacht wurde.
Daß Sie von Kleist noch so Manches erhalten haben, ist sehr schön, Sie haben nun zu der Biographie viele Materialien, die Sie auch hoffentlich alle gebrauchen werden.
Projekte habe ich genug, mir fehlt es nur an Kraft zur Ausführung.
Ich beneide Ihnen Venedig, das ich gar nicht habe kennen lernen. Sie mußten sich nothwendig dort wie in einem poetischen Traum befinden, denn sie Stadt selbst ist vielleicht die am meisten phantastische, wenigstens in Europa.
Wenn Sie wollen, grüßen Sie Stieglitz. Ich kann kein Vertrauen zu ihm fassen.
Sagen Sie Ihrer Freundinn recht viel Schönes von mir, und entschuldigen Sie in Ihrem freundlichen Herzen dieses so ganz unbedeutende Blatt, das ich mich schäme, so weit wegzuschicken.
Humbold macht mir Hofnung, daß der König die Dedication Ihrer Novellen freundlich annehmen werde, noch habe ich keine bestimmte Antwort darüber.
Haben Sie sich denn wohl mit dem allerliebsten Venetianischen Dialect etwas bekannt gemacht? Wird Goldoni noch oft gespielt? – Wegen Ihres <409:> Lügners habe ich bis jezt noch nichts thun können. Ich zürne über meine Schwachheit und so oft wieder kehrende Krankheit.
Nun hätten auch schon meine Arbeiten mit Heinr.[ich] V. beginnen sollen; ich bin aber immer noch schwach und unvermögend.
Haben Sie einen Plan für den Sommer gemacht? Kommen Sie zurück, oder wohin gehn Sie? Ich wünschte, Ihr Schicksal wäre entschieden. Sie wissen, wie ich über diesen Punkt denke. Unser Leben vergeht sich oft an Kleinigkeiten. Ich sähe Sie freilich gern noch vor meinem Ende, das, wie ich glaube, nicht mehr sehr weit zurück gesteckt sein wird.
Wie fleissig sind Sie! Auch darum beneide ich Sie: benutzen Sie ja die gute Zeit dieser kräftigen Jugend: nur arbeiten Sie nicht zu schnell.
Nun leben Sie wohl, ich umarme Sie, Geliebtester, recht herzlich in Gedanken und bin wie immer
Ihr treuster Freund
L. Tieck
Berl. den 3ten Febr.
1846.

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