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Zeitung für die elegante Welt, 10. 3. 1809, Nr. 49, Sp. 389-392

Gerhard v. Kügelgen über Caspar David Friedrich

Bemerkungen eines Künstlers über die Kritik des Kammerherrn von Rahmdohr,
ein von Hrn. Friedrich ausgestelltes Bild betreffend.

So sehr auch das zarte Selbstgefühl dieses Künstlers durch jenen wirklich wenig schonenden Aufsatz beleidigt und gekränkt ist: so muß man doch mit Achtung die Tendenz des Hrn. v. R. anerkennen, mit welcher er die nach seinen Ansichten über Regellosigkeit irrenden Künstler auf den rechten Weg zurückführen möchte. Auch kann man seinen über Landschaftsmalerei aufgestellten Sätzen in vielen Stücken beistimmen; nur erlaube man mir, mich als ausübenden Künstler gegen die Art und Weise zu erklären, mit welcher Hr. v. R. Hrn. Friedrichs Streben in diese Sätze hinein zwängen und dem Gebiete der Kunst so enge Gränzen abstecken will. Hr. v. R. möge mir verzeihen, wenn ich sein Verfahren hierin diktatorisch nenne und seinen Beruf dazu nicht erkennen kann; wie ihm denn dieß auch ein anderer Künstler, Hr. Hartmann, durch einen Aufsatz im Phöbus mit vieler Gründlichkeit dargethan hat. In allen klassischen Werken finden wir die Idee, diesen innern geistigen Gehalt, und die Form, die äußere Gestaltung des Kunstwerks als Einheit im schönsten Verein, wie Seele und Körper; und so wie der Körper sich nach dem Lebenskeim gestaltet, so empfängt auch das Kunstwerk seine äußere Form, nach der Idee und nach dem Gefühl, welches der Künstler ja nur durch diese Form aussprechen will, die sich freilich nach Regeln gestaltet, welche man vorfindet, aber wohl auch erfindet, wie es doch die ersten Künstler thun mußten, welche diese Regeln wahrhaftig nicht von Adam erbten.
Warum soll nun Hr. F. nicht nach seiner Idee, nach seinem Gefühl, welches man doch erkennt, auch die äußere <390:> Form auf seine Weise bilden dürfen? weil es nicht nach der Regel ist, welche Hr. v. R. in den alten Klassikern findet? – wenn nun die Alten es auch immer beim Alten gelassen hätten, wäre die Kunst dann fortgeschritten?
Ich habe nichts dagegen, wenn die Art und Weise von Fs. Ausführung zu manchem Tadel geeignet gefunden wird. Nur tadle man mit Nachsicht und Schonung, und vergesse nicht das geistige Prinzip eines solchen Strebens in unserer Geistarmen Zeit als eine erfreuliche Erscheinung zu bewillkommnen, wo so mancher ihn um diese Prometheusfackel beneiden möchte, welcher mühsam mit allem technischen Fleiß und Beobachtung der Regeln arbeitet, aber doch dadurch für die innere fehlende Lebenswärme nicht schadlos halten kann, die wir in den vom Zauber falscher Schminke strahlenden Historien-, Portrait- und Landschaftdarstellungen so mancher neuerer Künstler vermissen.
In diesem eignen geistigen Leben liegt eben die Magie oder das Geheimniß, welches die Mengs und Hackerts vergebens suchten, um Raphaele und Claude Lorrains zu seyn. Daß Hr. F. dieß Geheimniß besitzt, darüber ist nur eine Stimme. Da es ihm von Herzen geht, so spricht er auch zum Herzen. Und wenn, wie gesagt, seine Darstellungsweise Tadel verdient (wie das denn bei seiner noch geringen Uebung im Oelmalen nicht befremden kann), so geschehe dieß wenigstens mit Wahrheitsliebe, und nicht auf die Weise, in welcher Hr. v. R. Friedrichen andichtet: als habe er ein aus Wachs geknetetes, mit Reisern bestecktes Berglein, durch ein dahinter gestelltes Licht beleuchtet, mühsam nachportraitirt. – Ich habe die vielen Studien gesehen, welche Hr. F. mit bewunderungswürdiger Treue und Liebe nach der Natur gezeichnet hat, und kenne nicht nur dieß eine Bild von ihm, wie Hr. v. R., sondern habe mehrere gesehen, aus welchen man ein treues Streben nach Wahrheit erkennt, so daß ich ein Recht zu haben glaube, öffentlich zu sagen: daß den Hrn. v. R. seine Gerechtigkeitsliebe ganz verlassen hatte, wenn er sagen konnte: „man sieht die Bäume vor lauter Reisern nicht.“
Erlaube man mir nur noch die Frage: welche Anmaßung wohl größer sey – die mit landschaftlichen Gegenständen das Gemüth zur Andacht zu erheben, – das heißt: uns die bessere Seele in uns empfinden zu lassen, was doch jedes Kunstwerk bewirken soll (Hr. v. R. sagt: wenn die Landschaftsmalerei sich in Kirchen schleichen und auf Altäre kriechen will), oder die, <391:> mit solchen Ausdrücken das schöne Streben eines sich entfaltenden Genius zu beleidigen und mit seinen Gesetzen der Kunst Gränzen zu bezeichnen, wie weit sie gehen könne.
Wo Hr. v. R. gegen den Mystizismus eifert, mag er volles Recht haben; Unrecht finde ich es nur, daß er in diese Sinn- und Formlose Schaar den Hrn. F. hinstoßen wollte, dessen Geist von wahrer Andacht erfüllt, ohne alle Anmaßung, seinen eigenen Weg für sich nur gehen will, woraus Hr. v. R. großes Unglück weißagt. Sollte durch die Frömmigkeit, die man in seinen Bildern wahrnimmt, die Frömmelei, an welcher unser Zeitalter kränkelt, zu viele Nahrung gewinnen, und sollte diese Ansicht der Landschaftsmalerei als einzig herrschend gelten wollen – alsdann würde es Zeit seyn, in diesem Streben die krankhafte Seite zu zeigen.
Es ist traurig, wie doch fast alle Kunstkritiken unserer Zeit so wenig erweisen und wie diese Herrn Kunstkritiker selbst so wenig wissen, was sie von der Kunst verlangen und denken sollen, sich aber Anstands halber so stellen, als seyen sie in den geheimsten Geheimnissen dieser Göttin eingeweiht. Da wirft man dann gewöhnlich dem Künstler vor: daß man in seinen Werken zu viele Reminiszenzen aus alten Klassikern und zu wenig Originalität wahrnimmt, und tadelt dann wieder eben diese Originalität, wenn sie erscheint, und will mehr an diese klassischen Werke erinnert seyn. Möchten doch diese Herren Kritiker einmal auf die ganz einfache Idee kommen, jedes Kunstwerk nach dem lebenswarmen Eindruck zu würdigen, den es auf Sinn und Gemüth macht, und es da tadeln, wo es kalt, schleppend und unwahr ist. Die Regel existirt freilich in der Kunst, so wie das Gesetz im bürgerlichen Leben. Ist es aber in diesem schon schwer zu finden und aufrecht zu halten, um wie viel mehr nicht im geistigsten Leben der Kunst. Diese Kunst sehen wir in der Kunstgeschichte sich in mannigfachen Gestalten gefallen, und wer will und kann bestimmen, daß sie nicht in noch ungekannten sich gefallen möge? Hrn. F–s Originalität sey uns um so willkommener, da sie uns eine bisher weniger beachtete Form von Landschaftsmalerei darbietet, in welcher sich bei seiner Eigenthümlichkeit ein gemüthvolles Streben nach Wahrheit zu erkennen gibt.
Möge das Publikum einmal anfangen, es mit den Künstlern und mit sich selbst gut zu meinen, und die Fähigkeit in der Erkenntniß des Guten und Wahren eben so ausbilden, als man bisher das Gegentheil that, damit der Künstler doch von einer Seite eine Aufmunterung er- <392:> halten möge, da er wahrlich nicht zum Uebermuthe gereizt wird.
Es sey mir vergönnt noch die Bemerkung des Hrn. v. R. anzuführen: daß nämlich unsre Zeit, durch den großen Styl Michael Angelos und Raphaels verwöhnt, der Kleinheit der neuern Kunstjünger nicht huldigen könne. Möchte er wahr gesprochen haben, und es nicht leichter seyn, ihm das Gegentheil darzuthun, und wo er Großheit wähnt, nur Leerheit zu sehen seyn, welche aus bunten englischen Kupfern und aus nachäffender Formsucht nach antiken Statuen abstammend leider noch zu sehr den Geschmack dieser Zeit befangen hält.   Gerh. v. Kügelgen.

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