Das
Sonntagsblatt (Wien), 14. 2. 1808, Nr. 59, 151-166: Prometheus. (418 Zeilen); darin: 165f.
(ab Z. 364)
Phöbus
<Ernst:> <
>. Es ist eine Zeit der allgemeinen Toleranz und Autorliebe;
die Gunst der literarischen Machthaber und des Publicums geht, wie die Sonne, über Gute
und Böse auf.
Herr v. R**. Es ist die Zeit des Antichrists wenn Sie mit Hrn.
Görres sie so nennen wollen. Aber diese allgemeine Toleranz ist eine Thorheit; diese
Vermengung des Guten und Schlechten schadet, und verdirbt nicht bloß den Geschmack der
Leser, sondern auch die Schriftsteller täglich mehr. Sie ist es vornehmlich, der wir
dieß Geschlecht genialischer Scribenten zu danken haben, das Labsal aller
schaalen Köpfe und die Marter aller Leute von Verstand. Wo sonst, als in dieser
monstrosen Verbindung der Unfähigkeit mit dem Talent, hätten unsere jungen Autoren
gelernt, den Mangel an deutlichen Begriffen für Geist, die leereste Phantasterey für
Genie, und sich selbst für wichtige Männer zu halten? Wo hätten sie sonst die
Zuversicht her, sich an die Spitze literarischer Unternehmungen zu stellen, deren letzte
Theilnehmer sie kaum seyn sollten? Ich habe auch den Phöbus
gelesen, dieses von Göthen ebenfalls begünstigte Journal, und ich finde,
daß Hr. Heinrich v. Kleist, der unter der Curatel eines critischen Redacteurs vielleicht
ein brauchbarer Mitarbeiter einer belletristischen Zeitschrift gewesen wäre, auch dazu
verdorben ist, seitdem er sich, als Herausgeber eines Kunstjournals, selbst für eine
critische Autorität hält. Seine Penthesilea, der Prolog und Epilog des ersten Heftes,
sind wahrer Unsinn.
Serena. Sie mögen in allem dem vollkommen Recht haben, und
Prometheus mag, als ein Ganzes, sogar noch schlechter seyn als Phöbus, ich behaupte
dennoch, daß dieses Journal seinen Weg unter uns machen wird, wenn der Anzeiger
immer so klug und artig ist, als er bey Gelegenheit der letzten Feste war. Was kümmert
uns die Consequenz der Schriftsteller, und vollends die Übereinstimmung oder Consequenz
einer Monathsschrift? Was man nicht lesen mag, kann leicht überschlagen werden. Wir
wollen unterhalten und mitunter ein wenig geschmeichelt seyn. Sie thun sehr unrecht, Hr.
West, daß Sie nicht mehr Rücksicht auf die unschuldigen Schwachheiten ihrer Leser
nehmen.
Ernst. Das ists, was auch ich sage.
Ich. Es gibt Vorzüge, Madame, die wir uns mit allem guten
Willen nicht eigen machen können. Ich will die kluge Kunst des Anzeigers bewundern und
rühmen, aber es ist nicht in meiner Natur, sie nachzuahmen.
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