Morgenblatt
für gebildete Stände, 15. 6. 1811, Nr. 143,
571f.
Tischgesellschaft
Korrespondenz-Nachrichten.
- Berlin,
22 Mai.
- Das Centrum
der neuen ästhetischen Schule, welches nach und nach hier
einrückte, gedenkt eine feste Position zu nehmen, indem
es sich zu einer Gesellschaft, von ihr ächt-christliche
genannt, vereinte, und davon, ächt-unchristlich,
alle Juden, auch getaufte, und alle Philister ausschloß.
Die Gesellschaft hat Gesetze, wie philistermäßig!
kommt zu einer bestimmten Zeit zusammen,
wie philistermäßig! um zu essen und zu trinken
wie philistermäßig! Was aber von ihr Philister
genannt wird, erfährt man in einer neulich erschienenen
Broschüre: Der Philister vor, in und nach der Geschichte.
Eine scherzhafte muß wol heißen schmerzhafte
Abhandlung, denn es ist darin um mich eines
ähnlichen Stils zu befleißigen, ein Ringen,
Zwingen, Springen, Schwingen, Dringen und Schwitzen nach
Witzen und Spitzen, die nicht blitzen noch ritzen, und das
ewige Fechten und Fichten mit Worten fachte
dem Einsender während dem Lesen eine Unlust an, die durch
widrige Bilder noch vermehrt wurde. Mit einem Schlunde von
Spitzfindigkeiten thut der Verfasser dar, daß er durch die
moderne Idee von allen Ideen gekommen ist, von dem durchwehenden Jacob
Böhmeschen Geist werden die Bilder der Abhandlung zu
böhmischen Steinen, die Gedanken und das Wollen zu böh-
<572:> mischen Dörfern, und das Ganze erscheint als
ein Gegenstück zur Schöpfung; denn die Dinge, so hochtrabend
sie tönen, kehren alle in das Nichts zurück, und es bleibt
nur der egoistische Satz: Wer nicht ist wie wir, ist ein
Philister! Die Gerechtigkeit will es, daß von diesem Urtheile
ausgenommen bleibt, was über liederliche Anstalten und Theater
gesagt ist; denn hier wittert man Vernunft, doch scheint
sie dem Verfasser ein schlechtes Ziel und kleidet ihn nicht.
Auch der Zweck des Gewinns von dieser Schrift,
ein wohlthätiger, ist lobenswerth, und dieser
Tadel thut ihm dem Himmel sey Dank!
keinen Schaden, denn je mehr eine so profane Person als
der Eins. zu rügen weiß, je mehr kaufen die rechtgläubigen
Seelen, was hier übrigens rechtgläubige Seelen
heißen muß, denn sie glauben leicht und viel, nur nicht
das Rechte!
Unter
den literarischen Neuigkeiten verdienen die vaterländischen
Schauspiele, von de la Motte Fouqué, (bey Hitzig)
Auszeichnung. Es sind zwey Stücke: Waldemar,
der Pilger, Trauerspiel; und die Ritter
und die Bauern, Schauspiel. Gedankenreichthum,
ergreifende Momente, eine hohe Gemüthlichkeit und leichte
gefällige Sprache empfelen sie zur Lektüre und zur Aufführung.
Der
immer thätige Kunstfreund, C. v. Mecheln,
hat zum Andenken der mimischen Darstellungen von Mad. Schütz
die Verklärung Mariens, nach der genannten Künstlerinn
und im Geiste einer Dürerschen Komposition,
in einem artigen Contour-Blatte herausgegeben. Es ist von
ihm und durch alle Kunsthandlungen zu haben.
Vor
ihrer Abreise nach Breslau gab Demois. Frank
ein Konzert im Saale des National-Theaters. Sie wurde von
den hiesigen Virtuosen trefflich unterstützt mit zwar schon
oft, aber immer gern gehörten Sachen. Sie selbst sang eine
Scene von Raccicati, und zeigte sich hier wie
überall nicht als große, aber als eine höchst liebliche
Sängerinn. Auch drey Lieder, von ihr selbst mit der Guitarre
begleitet, gefielen durch den einschmeichelnden Vortrag,
Sie hat während ihrer Anwesenheit den Theaterfreunden manchen
angenehmen Abend, und der Theater-Kasse einen bedeutenden
Gewinn verschafft. Der kaiserl. österreichische Sänger Simoni
hat ein Konzert angekündigt.
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