Morgenblatt
für gebildete Stände, 18. 12. 1810, Nr. 302. (a:) 1208:
Korrespondenz-Nachrichten. Berlin, 28 Nov. (118 Zeilen). (Z. 41-90).
(b:) (Anhang) Nr. 21: Übersicht der neuesten Literatur. 1810 (Darin 83f.: Schöne
Redekünste.). 83f.
Das Käthchen von Heilbronn
<a:>
Die Nationalbühne gab uns in der letzten Woche viel Neues, und erregt viel
Lärmen um nichts. Die Schweizerfamilie wurde gegeben, dem öffentlich
ausgesprochenen Wunsche genügend. Die dem Texte herrlich angepaßte Musik von Weigl
befriedigte allgemein, und die Ausführung war lobenswerh. Hr. Beschort als
Graf Wallstein, Hr. Gern als Richard, Mad. Lang,
seine Frau, Hr. Labes als Verwalter Durmann waren ganz an ihrer
Stelle: Hr. Weitzmann als Paul belustigte, und gab den dummen
Jungen, ohne welchen jetzt gar kein Stück mehr ankommen darf, in Wahrheit recht gut.
Hr. Rebenstein als Jakob Friburg ließ bemerken, daß er einst die
Hoffnung seiner Freunde rechtfertigen wird. Der Stoff ist für drey Akte zu
inhaltlos, und vermeidet das Unwahrscheinliche nicht; doch darf man an den Versen
großentheils angenehme Leichtigkeit rühmen. Soviel über die Aufführung, bey deren
Übersicht ich die Emmeline (Mlle. Herbst) deshalb fehlen ließ,
weil die Besetzung dieser Rolle zu dem vielen Lärm
Anlaß gab. Nachdem es gewiß war, daß Madame Bethmann
sie nicht übernehmen wollte, der angreifenden Gesangpartie wegen, so blieb der Direktion
nichts übrig, als sie der Mlle. Herbst zu geben, welche auch im Spiel und
Gesang Sorgfalt und Studium zeigte. Einige junge Leute hatten viel dawider, und
vorausgegangene Anzeigen verkündeten ein Ungewitter, obgleich sie bey der Frage nicht im
Stande gewesen wären, eine andre Schauspielerinn vorzuschlagen. Die Sängerinn wurde nach
der Aufführung fast von allen Stimmen herausgerufen, die wenigen Pocher trieben ihr
Handwerk, und gingen in Rohheit und Partheywuth so weit, selbst dann noch zu pochen, als
die immer wiederholt Gerufene auf der Bühne stand. Ein Polizeybedienter hielt einen der
ärgsten Pocher, einen jungen Edelmann fest; und zwang ihn, späterhin, nachdem die große
Menschenmasse fort war, der Sängerinn seine Unhöflichkeit abzubitten. Dies brachte gegen
die Arme eine wahrhafte Verschwörung zu Stande; bey der zweyten Vorstellung der Schweizerfamilie,
welche auf gestern bestimmt war, wurde, sogleich nach dem Erscheinen, von den natürlich
in großer Anzahl erschienenen Ruhestörern so furchtbar gepocht und gepfiffen, daß
Klatschen und Bravorufen übertäubt blieb, und nach dem ersten Akte, in welchem die
Gemißhandelte bewundernswürdige Geistesgegenwart behielt, auf Ifflands
Verfügung der Vorhang herabgelassen, und in Eile nur zwey kleine Stücke gegeben. Das
Publikum ist höchst unwillig über ein so erbärmliches Betragen, und jeder Vernünftige
verwahrt sich gegen den Antheil daran. Wahrscheinlich werden von Seiten der Polizey
Maßregeln getroffen, diesem unnatürlichen Despotismus über das Vergnügen Anderer
kräftig zu begegnen. Die Urheber sind bekannt, es verlohnt sich indessen nicht der Mühe,
sie zu nennen. <
>
<b:>
Das Käthchen von Heilbronn, oder die Feuerprobe, ein
großes historisches Ritter-Schauspiel von Heinrich v. Kleist.
Berlin, Realschulbuchhandlung, 1810. gr. 8. 2 fl.
Bey
Lesung der ersten Blätter dieser Ritter-Tragödie glaubten wir, eine Parodie auf den
romantischen Schnickschnack unsrer Zeit zu finden. Bald aber ward es uns gewiß, daß es
dem Hrn. v. Kleist baarer, brennender Ernst sey. Der Stoff möchte noch
ergiebig genug seyn; die ganze Anlage aber und besonders der Ausdruck: Nein! etwas
Tolleres ist uns seit des im Frieden entschlafenen Cramers Haspar a Spada
nicht wieder vorgekommen. S. 16 sagt der
Waffenschmid Theobald von Heilbronn von Kätchen, seiner
vermeinten Tochter, welche, halb wahnsinnig, dem Grafen Wetter vom Strahl
über dick und dünn nachläuft: Seit jenem Tage folgt sie ihm, gleich einer Metze,
in blinder Ergebung, geführt vom Strahl seines Angesichts,
fünfdräthig, wie einen Tau um ihre Seele gelegt,
wie ein Hund,
der seines Herrn Schweiß gekostet, u. s. w. Nicht minder drollig
prophetisch lautet der Monolog des Grafen Wetter S. 48,
wo es unter andern heißt: Kätchen, Mädchen, Kätchen, du, deren junge
Seele, als sie heut nackt vor mir stand, von wohllüstiger
Schönheit gänzlich triefte, wie die mit Ölen gesalbte Braut eines Perserkönigs,
wenn sie, auf alle Teppiche niederegnend, in sein Gemach geführt wird!
Kätchen, Mädchen, Kätchen! du, schöner als ich singen kann! Ich will eine
eigne Kunst erfinden, und dich weinen! etc.
etc.
Einmal wird von dem
göttlichen Kätchen gesagt, sie sey der Nabelschnur zu schnell entlaufen.
Einige Stellen deuten auf wahre Geisteszerrüttung. Z. B. die Rede des Waffenschmids S. 172:
Verwegner, du, aus eines
Gottes Kuß,
Auf einer Furie Mund gedrückt, entsprungen,
Ein glanzumfloßner Vatermördergeist,
An jeder der granitnen Säulen rüttelnd
In dem urewgen Tempel der Natur, etc. etc.
Das Stück ist abwechselnd in Prosa und Jamben geschrieben, und die beiden Haupthebel,
welche das Ganze motiviren, sind ein Traum und ein Cherub,
der Kätchen aus dem Feuer rettet, und sich überall gar dienstbar bezeigt.
Lärm] cf. >> Nordische Miszellen, 27. 12. 1810, Extrablatt
Nr. 51, 533-535: Correspondenznachrichten
(Darin 533f.: Berlin, den 20. December; 47 Zeilen). (a:) 533
(Bis Z. 20); (b:) 534 (Z. 33-38)
>> Journal des Luxus und der Moden, Januar 1811,
29-42: IV. Musik und Theater in Berlin (Darin: Zweiter Brief, 36-42; 195 Zeilen); darin:
36-40 (bis Z. 131)
>> Nordische Miszellen, 10. 1. 1811, Extrablatt
Nr. 2, 21-24: Correspondenznachrichten; darin: 21f.: Berlin, den 1. Januar 1811 (57
Zeilen); (a:) 21f. (Z. 21-33); (b:) 22 (ab Z. 50)
>> Morgenblatt für gebildete Stände, 19. 1. 1811,
Nr. 17, 67f.: Korrespondenz-Nachrichten; darin: 67f.: Berlin, 29 Dec. (129 Zeilen); (a:)
68 (Z. 63-65); (b:) S. 68 (110-115)
<b:> Der Vf. dieses Artikels ist mit dem von
>>Morgenblatt für gebildete Stände,
28. 12. 1810, Nr. 311, (Anhang:) Nr. 22. Übersicht der neuesten
Literatur. 1810 (Darin 88: Schöne Redekünste.) 88 identisch
S. 16] K. v. H. I/1
S. 48] K. v. H. II/1
etc. etc.] Kürzel in J
S. 172] K. v. H. V/1
etc. etc.] Kürzel in J
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