Morgenblatt
für gebildete Stände (Tübingen), 3. 10. 1807, Nr. 237, 948:
Korrespondenz-Nachrichten
Amphitryon
- Dresden.
- An unserm
physischen Thermometer sieht es ziemlich frostig und freudlos
aus, und nicht viel besser am literarischen. Indeß können
wir uns doch rühmen, daß wirs ziemlich mit allen Städten
Deutschlands aufnehmen können. Wir erfreuen uns der Gegenwart
eines der vorzüglichsten, jetzt lebenden Dichter, des Hrn.
v.Kleist, der den Altar des Vaterlandes mit
einem so frischen Kranze, mit dem Lustspiele: Amphytruon,
geschmückt hat, und vielleicht längere Zeit bey uns verweilen
wird; wir besitzen den Dr. Schubert, der eben den
zweyten Band seiner köstlichen Ahndungen einer allgemeinen
Geschichte des Lebens bey Reclamherausgegeben
hat; wir erwarten eine vollständige LebensbeschreibungKarls des Großen von Dr. Dippoldt,
die gerade in unsrer Zeit eine recht erfreuliche Erscheinung
seyn wird. Und wie viel könnte ich Ihnen noch sagen, was
still gepflegt und gewartet bald als liebliche Frucht erscheinen
wird?
So unfreundlich und kalt die Jahrszeit auch ist,
so bringt sie uns doch die Hoffnung auf die geistreichen
Genüsse, die uns seit einigen Jahren die trüben Wintertage
erheitert haben, mit, und sie ist diesmal reicher, als je,
da wir, außer den archäologischen Vorlesungen des Herrn
Hofraths Böttiger und der philosophisch-ästhetischen
des Hrn. AdamMüller,
auch welche über die Naturwissenschaften von Dr. Schubert
zu erwarten haben.
Der MahlerMatthäi hat aus
Italien eine Kopie der Grablegung von Raphael mitgebracht,
die von allen Freunden der Kunst, die sie gesehen, als sehr
vorzüglich gepriesen wird; und bey dem BildhauerUlrich ist das Modell zu einer lieblichen
Psyche zu sehen, die sich mit dem gefundenen Pfeile Amors
in die Hand ritzt.
Unsre Hofschauspielergesellschaft ist zur Leipziger
Messe gegangen, und ihren Platz auf dem Linkischen Theater
hat eine Truppe wandernden Sänger eingenommen, die im Ganzen
nicht zu loben ist, aber einzelne wirklich recht geschickte
Mitglieder besitzt.
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