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Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser (Berlin), 10. 6. 1808, Nr. 116, 461f.

„Phöbus“  

Literatur.

Freundlicher, als in den Wintermonaten, begrüßt uns im Frühlinge die Sonne; so scheint es auch bei des

Phöbus viertem und fünftem Stück,
April und May 1808.

welche zusammen in Einem Hefte ausgegeben worden, der Fall zu seyn. Hie und da freilich spuckt noch Aprilwetter, aber manche liebliche Blume entsproßt doch auch unter dem wärmern Strahle des May’s.
Ein Fragment aus einem Trauerspiele: Robert Guiskard, Herzog der Normänner, vom Hrn. v. Kleist, eröffnet das Heft. Über das Ganze läßt sich aus dem kein Urtheil fällen, was hier vor uns liegt, einiges indeß, wie die Schilderung der im Lager Roberts ausgebrochnen Pest, sammt dem Andringen des Volks, es ins Vaterland zurück zu führen, ist weder in Hinsicht der Sprache, und des Ausdrucks, noch des Ganges der Handlung interessant, doch an Regelmäßigkeit und Haltung der Charaktere der Penthesilea weit vorzuziehn. Selten stößt man auf Stellen wie:
Seite 7. – – – – Sie ging
Um diesen Wunsch herum mit Worten wedelnd,
Mir fiel das Sprichwort ein vom heißen Brei.
S. 15. Doch eh wird Guiskards Stiefel rücken vor
Byzanz – eh die stolze Zinne
Vor seinem bloßen Hemde sich verneigen.
Der zweite Aufsatz hat die Überschrift: der Alte und sein Übersetzer. Er ist gegen einen berühmten Übersetzer des Homer gerichtet, und in sogenanten Knittelversen – für die man doch längst ein besseres Wort hätte einführen sollen – geschrieben. Ein lebendiger Witz beseelt das Ganze, manches Wahre ist darin den Übertragern des guten Alten vorgeworfen, wenn dieser z.B. stöhnt:
Ach! auf der metrischen Tortur
Krümmt sich die herrliche Natur,
Seh’ ich den holden Leib verrenken
An allen Gliedern und Gelenken!
Das alte Kleid paßt ihr wohl an,
Doch ist’s und bleibt’s ein hölzern Mann,
Was dort lebendig frei sich regt,
Sich künstlich hier am Drath bewegt,
Klingt nicht in Ohr und Herz hinein,
Bleibt leider in Fingern und Füßen allein.
Nur dürften die Farben wohl hie und da ein wenig zu grell aufgetragen seyn.
Nro. 3. Die Abentheuer des Fiedlers zu Schiras. Etwas weitschweifig, aber meist dem Geschmacke des Orients, in dem die Scene liegt, worauf es spielt, angemessen erzählt. Sehr viel Unterhaltung darf man sich freilich nicht davon versprechen. Hie und da ist die Sprache sehr vernachlässigt. So, Seite 25. „Neuerdings bin ich – zu Cameele gesessen, aber bei deinen Liedern habe ich Müdigkeit und Schlaf vergessen, und bald hätte ich auch vergessen;“ u. s. w. Seite 35. „Unentschlossen zwischen zween Winden stand ich einige Zeit nachsinnend.“ Einige derbe Unwahrscheinlichkeiten laufen auf Rechnung des Orients mit durch.
No. 4. M. und S. von Novalis. Die Braut des Dichters und ihre verheirathete Schwester. Drei liebliche Dystichen.
Die Fortsetzung der Vorlesungen über das Schöne, von A. Müller, No. 5. enthalten einen Schatz von herrlichen Bemerkungen über die interessantesten Gegenstände dieses Gebiets. Die Parallele zwischen Schiller und Göthe ist eben so treffend als schön, und giebt unerwartete Aufschlüsse und Ansichten. Eben so was über die wissenschaftliche Gestaltung der Poesie gesagt, und besonders manchen noch allzu weichlichen Freunden derselben zu beherzigen gegeben wird. Gleiches Lob verdient, was über den Stil, besonders den Unterschied zwischen dem der Männer und Frauen gesagt wird. Warum müssen uns in einem so tiefgedachten Aufsatze gezwungene Paradoxien, z. B. „der vollständige Mensch sey gewissermaßen Mann und Weib zugleich, – das feuchte Wesen, die Eigenschaft der Flüssigkeit in der Seele einer Frau:“ vorkommen, und die reine Bewunderung stören?
Mit aller Hochachtung für den biedern Dänen, Oehlenschläger, und die kraftvollen Werke, die er aufgestellt hat, und uns noch verspricht, können wir doch No. 6. Faareveile, aus dem Dänischen, einem Gedichte desselben auf die unvollendete Burg, welche ein Ahne Novalis-Hardenbergs in Dännemark gebaut, unsern Beifall unmöglich schenken. Man urtheile selbst aus den ersten 3 Stanzen:
Wo endigen die Buchen,
Dort, auf dem grünen Plan,
Wo durst’ge Schafe suchen
Hüpfend zur Bay die Bahn,
Wo stockt der Segel Eile,
Ein alter Thurm steht da,
Den heißt man Faareweile,
Weil er dem Weiler nah.
So treulich er sich hebet,
Die Stange stark und dünn,
Vor keinem Sturm erbebet;
Man wird so fremd im Sinn! (Ja wohl!)
Von wem ist der besessen?
In niedrer Hüttenschaar,
Wie Bauern, stellt vermessen
Er sich, ein Ritter, dar.
Wohlauf! wohin ich sehne,
Zur alten Mauer fort,
Da, mit ehrwürd’ger Schöne
An jugendlichen Ort.
Nun sind wir da! Bald finden
Wir hohen Rittersaal. –
Wie das? Die Burg will schwinden?
Ist mit dem Eingang all?
Und so fort, wo denn auch nicht fehlen:
– führte
Zum Thurm der Greise fort.
so wie:
Einstmals ein Ritteraalte
Erbaute den Thurm dort. v – v v – –
ferner:
Und starke Erzkanonen
Setzt’ er zu jeder Hand.
und:
Fahr wohl, du sanfte Fraue!
Was man sich doch wohl oft unter einem Gedichte denken mag?!
Aus Müllers Vorlesungen über dramatische Poesie und Kunst theilt No. 7. ein Fragment: Ironie, Lustspiel, Aristophanes, mit. Wir können schon ahnen, daß wir hier wieder einen Reichthum neuer Ansichten und Bemerkungen zu erwarten haben, und wir täuschen uns nicht. Was er unter dem Namen Ironie, von der Freiheit des Künstlers oder des Menschen, sagt – denn eine Offenbarung derselben nennt er eben die Ironie – ist vortrefflich, nur dürfte der Name Ironie doch nicht für diesen Begriff passen, da man ihm ein ganz andres Gebiet schon durch den verjährten Sprachgebrauch angewiesen hat, und ich sehe nicht ein, warum der Herr Verfasser nicht geradehin sich des Worts Freiheit bedient, wo dann keine Zweideutigkeit zu beseitigen, keine Erklärung und Verwahrung voraus zu schicken ist. Schön ruft er dem Künstler zu: „Frei von jeder ausschließenden Regel, frei von jeder unbedingten Autorität soll er sich bewegen, und soll mit immer wachsendem Willen, mit immer steigender Kraft, trotz allen früheren Jahrhunderten, trotz allen verehrten Namen – seine Gegenwart, seine Zeit und sich selbst geltend machen.“ – Ungern lasen wir darauf die so leicht miszudeutende Stelle: „Mit dem Allerheiligsten kann gespielt werden; aber auch dies Spiel muß ein reines, unschuldiges, argloses, freundliches, heiliges Spiel seyn.“ Durch den Ausdruck „Spiel“ wird die Wahrheit des Ganzen durchaus verschroben; „heiliges Spiel“ im Sinne des Verfassers, ist da wohl ein Sinn darin? Prüfung, freie Ansicht, heitere Hingebung, schrankenlose Erhebung in Betref des Heiligen, meint der Verf., und wir mit ihm, und so muß sich jedes höhere Gemüth regen, und fessellos um sich wirken, aber spielen ist für diesen Ernst immer doch der unpassendste Ausdruck.

– z. –

(Der Beschluß folgt.)

Emendation
schrankenlose] schwankenlose J

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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