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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Theophil Zolling (Hrsg.), Heinrich von Kleists sämtliche Werke. Erster Teil. Gedichte. Familie Schroffenstein. Familie Ghonorez (Berlin, Stuttgart: Spemann [1885]) (Deutsche National-Litteratur, 149. Band), Anhang, CXLf.

Friedrich de La Motte-Fouqué an Christian August Gottlob Eberhard, Nennhausen, 14. 11. 1811

5. Fouqué an Ch. Aug. Gottlob Eberhard.
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Nennhausen, am 14. 9br 11.

Entschuldigen Sie es, lieber Eberhard, wenn Sie Ihren gemüth- und sinnvollen Brief diesmal nur mit wenigen, flüchtigen Zeilen beantwortet finden. Ich habe keinen Augenblick Zeit, und möchte Ihnen doch auch so von Herzen gern gleich umgehend sagen, wie sehr mich Ihre Offenheit und Ihr inniges Zutrauen zu mir erfreut. Nein fürwahr, lieber Eberhard, Sie haben keine irrige Vorstellung von mir. Wie sollten denn Freunde wegen einiger versäumten Posttage an einander irre werden können? Was ich in Hinsicht Ihres Schweigens vermuthete, war, es hätten sich dem Unternehmen etwa mercantilische Hindernisse entgegen gestellt, und so geschah es denn, daß ich zwei Aufsätze, über die ich durch das Eingehen von des wackeren Perthes Museum wieder zu disponiren hatte, und die Ihnen bestimmt waren, in eine andere Zeitschrift, einer dringenden Aufforderung zufolge, gab. Daher auch kommt es, daß ich nun Ihren Wunsch wegen einer kleinen Erzählung für das zweite Stück der Salina\2\ nicht erfüllen kann, indem ich nichts dergleichen bereit liegen habe, und es auch in der angegebenen Zeit unmöglich zu Stande bringen kann, denn es legt sich grade jetzt eine ganze Wolke von schrift- und briefstellerischen Arbeiten um mich her. Lassen Sie – dies würde mein Rath sein – den unbekannten Kranken als Bruchstück erscheinen, welches vielleicht als eine Art von Räthsel dem großen Publikum nicht unbehaglich sein dürfte, da doch bei der monatlichen Erscheinung der Hefte die Auflösung ziemlich bald erfolgen würde. Ich berge es Ihnen nicht, daß ich diese Erzählung gern bald gedruckt hätte. – Wegen der Eroberung von Norwegen muß ich allerdings Ihrer Meinung beipflichten. Ich weiß nur zu gut, wie sauber man, vorzüglich zu Anfang eines literarischen Unternehmens, mit dem großen, unpoetischen Publikum, welches zur realen Existenz eines solchen Unternehmens so entbehrlich ist, umgehen muß. Zudem, wer etwas Gutes und Tüchtiges will, soll die Leute nicht vor den Kopf stoßen, sondern sich wenigstens so lange ihrer Art und Weise fügen, bis sie sich einigermaaßen daran gewöhnen, ihm die gleiche Gefälligkeit zu erzeigen. Es steht also ganz bei Ihnen, ob Sie mir jene Dichtung zurücksenden wollen, oder ob Sie es etwa gut finden, Sie für späteren Gebrauch liegen zu lassen. Es ist nur gut, daß Sie mich zeitig darauf aufmerksam gemacht haben; sonst hätten Sie gar noch ein etwas stärkeres Volumen Balladen bekommen, eine herrliche Polnische Sage enthaltend, die mir der seelige Dippold\3\, gleichsam als <CXLI:> ein Vermächtniß, unlängst vor seinem Tode zur Bearbeitung empfahl. Es giebt ja der Almanache genug, denen man sie gelegentlich einmal zutheilen kann. – Mit Freuden erfülle ich Ihren Wunsch, ein kleineres Gedicht von mir für das erste Heft der Salina zu haben. Nehmen Sie es als eine Lieblingsblume Ihres Freundes auf; sie ist erst Gestern Nacht und Heute Morgen in meinem Garten aufgesproßt. Als Zugabe und als Erinnerung guter alter Zeiten füge ich noch ein bereits vor zehn oder elf Jahren gedichtetes Lied hinzu, welches Ihnen damals sehr wohl gefiel, es Ihnen überlassend, ob Sie es als k e i m h l i o n bei sich bewahren, oder es der Welt gelegentlich zu lesen geben wollen. – Eine kleinere Erzählung sollen Sie baldmöglichst erhalten, und zwar in dem Format geschrieben, welches Sie mir vorschlagen.
Nun nur noch den herzinnigsten Dank für alles Schöne und Erfreuliche, was Sie mir von Ihrer Familie sagen, und für die Nachrichten von der meinigen. Wenn Ihre Frau Gemahlin von mir weiß, so bitte ich Sie, mich ihr auf das angelegentlichste zu empfehlen. Man spricht ja doch von einem alten Freunde gerne zu denen, die uns lieb sind.
Mit aufrichtiger Achtung und Freundschaft

der Ihrige,

Fouqué.

Wohl haben Sie Recht, Heinrich Kleist, der mir als Mensch und Dichter gleich lieb ist, zur Mitarbeit aufzufordern. Seine Adresse ist: Mauerstraße Nro. 53 –, in Berlin versteht sich. Wenn es Ihnen nicht zu weitläufig ist, erbiete ich mich auch gern, Ihren Brief an ihn zu besorgen. Wir stehen in freundschaftlichem Verkehr miteinander.

\1\ Die folgenden drei Briefe aus der Sammlung des Herrn Alexander Meyer Cohn in Berlin. Ch. Aug. Gottlob Eberhard, Buchhändler und Schriftsteller (1769-1845), Verfasser von „Hannchen und die Küchlein“ u. a.
\2\ Salina oder Unterhaltungen für die leselustige Welt. Eine Zeitschrift. Halle 1812. Ein zweiter Jahrgang erschien 1816.
\3\ Hans Karl Dippold (1783-1811), Prof. der Geschichte u. Geographie in Danzig.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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