Theophil Zolling
(Hrsg.), Heinrich von Kleists sämtliche Werke.
Erster Teil. Gedichte. Familie Schroffenstein. Familie Ghonorez
(Berlin, Stuttgart: Spemann [1885]) (Deutsche National-Litteratur,
149. Band), Anhang, CXXXVIIf.
Caroline v. Schlieben an Heinrich Lohse, Dresden,
Frühjahr 1803
2. Caroline v. Schlieben an Lohse.
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benommen haben, die mich oft betrübten und
für deren Wirkung ich immer zu fürchten hatte könnte
ich doch wissen, wie du jetzt dieserwegen dächtest, welche Wirkung
mein Brief auf dich gemacht hat, oder sollte die
schreckbare Ahntung, die ich damals hatte, vielleicht gar jetzt
ihre Erfüllung erreichen? auch Kleist
will mir oft dieserwegen bange machen, es ist ihm sehr wahrscheinlich,
daß Du mir ent[schlüpfst?]
den 15 August
1803.
Ich mochte dir so
gern mancherlei von Kleisten erzehlen, aber ich
bin so zerstreut, so unruhig, nur bei dir sind meine Gedanken.
Es wird dich aber intresiren also nur etwas,
Da ich keinesweges vermuthet hätte, daß Kleist
hierher kommen würde so brachte mich seine Ankunft in peinliche
verwirrung, ich war betreten, wolte etwas zurückhaltent sein,
und freute mich doch recht herzlich, ich erinnerte
mich seiner großen Herzensgüte und vergaß auch seine öfteren
Entmutigungen gegen Dich Das machte einen wunderbaren
Eintruck bei mir Kleist war ebenfallz entsetzlich
betreten, und seine Verwirrung machte Aufsehen
bis er mich gefracht hatte nicht ohne bewegung, was ich von
ihm dächte da ich ihm trotz allen Vorfällen nicht
gram sein kann, so war er mit einer Antwort zufrieden,
er machte sich mancherlei Vorwürfe, wegen der Vergangenheit,
und sagte immer daß du mir gewiß alles zu sehr zu seinen Vortheil
würdest geschildert haben, aus allen aber sehe ich, daß er
dich noch sehr liebt und schätzt, und sollte mich das nicht
zutraulich machen, auch gegen mir ist er sehr theilnehmend
und freundschaftlich und scheint es sehr gut zu meinen, er
will mich auch bessern, denn er hat mir meine Schwächen sehr
vorgehalten Er hat sich vorgenommen mir selbst
zu erzehlen, wie ihr aus einander gekommen seid.
Im ganzen ist Kleist aber doch ein wunderbares Wesen, ich
kann ihn nicht begreifen, sollte ich dir sagen, wie er mir
Alles vorgekommen ist, so würde ich nicht fertig werden
Wenn ich dich gegen ihn bedrachte Welch ein unterschied
Wenn du dich nur selbst kennen solltest, ganz deiner Bewundrung
würdig
So
gern als ich noch recht viel mit dir sprechen möchte, so läßt
es mir meine Unruhe nicht zu, dazu die Ungewißheit, ob du
diesen Brief erhältst Kleist giebt sich wohl viele
Mühe dieserwegen Ach! Mein Geliebter, die Fesseln
sind hart, die mich von dir entfernt halten, wenn ich mich
nicht dabei deiner Liebe, deiner Festigkeit erinnerte
wer weiß, was aus mir würde. Doch im Geist
können wir ja immer vereint sein, und ich werde froh sein,
so bald ich nur einige Worte über dein <CXXXVIII:>
Wohl höre Möchtest du dich selbst durch Empfang
dieses Briefes überzeugen, daß mein Kummer ungegründet ist,
Ich wünsche es sehnlich.
In
Eile
Glückauf mein Lohse.
Deine Karoline.
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Hs. Meinert-Dessau. Unvollständig. Beigelegt war Brief III.
Vgl. Biogr. Einleitung, S. XLII.
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