Hans
v. Wolzogen (Hrsg.), Briefwechsel zwischen Adolf Wagner und
Friedrich de la Motte-Fouqué, in: Der Wächter 7 (1924), H. 3, 81-118;
darin: 105f.
Adolf Wagner an Friedrich de la Motte-Fouqué, 25. 11. 1812
De 25. November 1812.
Ein Antrag an Freund Hitzig im Betreff eines
neuen trefflichen Werkes von Kanne: System der indischen Mythe, oder Chronus und die
Geschichte des Gottmenschen in der Periode des Vorrückens der Nachtgleichen, kommt
mir erwünscht, um auch mit Ihnen geliebter Fritz, wieder zu sprechen. Dies ist mir um so
angenehmer, da ich die Gränzsäule zwischen uns Beiden in Hinsicht des Christenthums,
wenn nicht umzustürzen, doch als unhindersamen Markstein unserer Eigenthümlichkeit bei
der innigsten Einheit leicht darzuthun hoffen darf. Es ist nämlich meines Bedünkens
unter uns nur die Ansicht verschieden, indem Sie auf Glauben dringen, und von ihm
ausgehen, wie Sie, als Dichter wohl ein Recht haben, ich auf Schauen. Daß ich nicht, wie
manche Geschmacksrichter, aus Ueberzartheit durch tieferes Eindringen in die Einzelnheit,
die sich ja immer wieder als Ganzes documentirt, mir die Göttlichkeit des Ganzen zu
zerstören, und etwa den Totaleindruck aufzuheben fürchten darf, dafür bürgt mir, wie
die Göttlichkeit der Sache, so mein redlicher Ernst. Das Wissen ist eben als Schauen auch
ein Handeln, und je vollendeter, desto mehr That, wie denn die menschliche That eben immer
rein geistig ist. Wenn ich daher von einer redlich gemeinten Typologie der alten Theologie
sprach, so wollte ich sie, weit entfernt sie zu verwerfen, nur aus ihren engen Gränzen
herausrücken, und vielmehr die gesammte Vorwelt als leis anklingenden Typus des
Christenthums angesehen wissen, in welchem (Christenthume) sich nun erfüllte, was
verheißen ward. So aber mußte mir auch die Folgezeit nur Rückweisung auf diesen
leuchtenden Stern, und sein Aufgang in jeder Hinsicht ewig sein, kurz das Christenthum
historisch nothwendig ewig begründet. Da nun dies ein Eindringen in die tiefsten und
verborgensten Adern des Alterthums und der Welt voraussetzt, wie es nicht Jedem zuzumuthen
steht, und da man, nach dem Dichter, dem Pöbel die große Raserei nicht predigen soll, so
werden Sie es wohl finden, warum ich nicht Jedem mein tiefes Christenthum merken lassen
möchte. Nicht als ob es minder lebendig und wirksam in mir wäre, und ich mich nicht
getraute, Ihn zu bekennen vor der Welt, sondern weil, da er im Geiste und in der Wahrheit
angebetet sein will, da sie Mosen und die Propheten haben, welche sie hören mögen, es
dessen kaum bedarf. Wo es aber dessen bedarf, werde ich mich nicht entziehen. Möchten Sie
aber in diese scharf ausgesprochenen Gegensätze unserer Zeit fallen, nämlich den frechen
Unglauben, der nichts Heiliges kennt, als das Greifbare, oder den kraftlos nebelnden und
schwebelnden Mysticismus, der es nie zur Gestalt bringt? Oder möchten Sie den trocknen
Mittlern angehören, welche sich aufwerfen, und fast noch schlechter sind, als die zu
vermittelnden Parteien? Und so ist es nicht die Sache, welche ich zu verläugnen
meinte das wär eine schlechte, wo uns freistünde zu meinen über ihr
Bekennen oder Verläugnen sondern die tiefere, wissenschaftliche Ansicht, das
Esoterische, was, seiner Natur nach, so wie in Bezug auf die Profanen im Vorhof der
Heiden, immer ein Geheimniß bleiben wird, was ich nur nicht den Unberufenen preisgeben
möchte. Wenn ich nicht eben dem Malchus ein Ohr abhauen möchte, wie Simon Petrus, muß
ich darum der Liebe dessen unwerth sein, an dessen Brust Johannes lag? Oder glauben Sie,
daß dieser liebevolle, tiefe, sinnige Mensch nicht manches verschwieg, dessen ihn sein
hoher Meister gewürdigt hatte? ja, wenn er es nicht verschwieg, wie Wenige möchten wohl
das hohe Wort von ihm im Anfange seines Evangeliums, oder sein anderes im ersten Briefe zu
Ende über Christus klar und hinlänglich ergründen? (Drei sind, die da zeugen etc. etc.)
Würde man nicht Vielen unserer Zeit leere Worte zu reden scheinen, wenn man das Wesen des
Abendmahles, als eines Bundesmahls, schon aus Noahs Regenbogen hervorleuchten zu
sehen, behauptete, wenn man: das <106:> ist mein Leib ganz begreiflich
fände aus der alten Idee von Verkörperung und Eintreten in Sinnlichkeit als Hausbau, vom
Brot als erdverwandten Element des Menschen? Und doch predigt dies das Alterthum so laut,
daß nur die Erfüllung die Verheißung überstrahlen möchte. Gern will ich Ihnen
zugeben, daß der Glaube dies entbehren kann; aber ein ins Schauen übergegangener,
in ihm verklärter Glaube ist doch auch wohl achtungswerth, ja wenn ich den innersten
Geist des Christenthums nicht mißkenne, das, wozu wir eben berufen sind. Und so sind mir
die einfachst ausgesprochenen bibelgemäßen Lehren, wie Sie gläubig in Ihrem vorletzten
Briefe sie ausgesprochen, nicht etwa, wie den neuen Theologen unbegreifliche und darum
auf-, aus- und wegzuerklärende Wunder so lange der Menschengeist ist, ist auch das
Wunder noch: wie den Alten, im Blindekuhspiel zu erfassende Aussprüche, an denen
sich die Vernunft nicht vergreifen dürfte, sondern ewige und immer neu und immer alt
wiederkehrende Offenbarungen Gottes im Menschengeiste und Menschengeistes in Gott nach
ewigem Typus. Diesen aber als unwandelbar in ewigem Wandel zu schauen, darauf kann ich
nicht verzichten, so lange mir der Geist der Nationen nur Eine Bibel in verschiedenen
Ausgaben bleibt. Meinen Glauben kann ich so nur begründen, und wenn Unschuld das
göttliche Glück des Menschen ist, so ist Heiligkeit eine gottbegünstigte Wahl des
Ewigen, jene Nothwendigkeit, diese Freiheit, beide in einander aufgehend. Verzeihen Sie,
wenn ich hier gleichsam docirte! Es galt ja uns auszugleichen in Liebe.
In diesen Tagen ersuche ich
Kanne um Uebersendung seiner Trümmer, und sende sie Ihnen dann sogleich. Für
Ihre gütige Einladung zu den Erholungen danke ich herzlich, und werde gewiß davon
Gebrauch machen.
Falk,
der mir in diesen Tagen schrieb, erinnert sich Ihrer und Kleists mit Liebe und Wärme, und
grüßt Sie durch mich herzlich. Er ladet uns freundlich nach Weimar ein.
Glück wünsche ich zu der
Genesung Ihrer lieben Frau. Sie sollte nicht zu viel vom Besten genießen, meine ich. Das
hinfällige Ding von Leib will eben zuweilen gehätschelt sein. Ich darf diesen meinen
Esel nicht immer hart anlassen, sonst wird er stöckisch. Die mythologischen Briefe sind
(unstreitig von Böttiger) in der allgem. Zeitung längst lobend angezeigt. Mich haben
noch immer andere Beschäftigungen von ihnen abgehalten. Habe ich etwas Zeit gewonnen, so
will ich Ihren Wunsch vollziehen, oder es auch Kanne übertragen.
Mit Gott, lieber, liebster
Fritz! Ich höre ja, daß wieder zwei Werke von Ihnen hier waren oder sind. Ich umarme Sie
im Geiste,
- Ihr treuer
- A. Wagner.
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