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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Hermann F. Weiss, Funde und Studien zu Heinrich von Kleist (Tübingen: Niemeyer 1984), 151-153

Gerhard v. Kügelgen an August Mahlmann, Dresden, 1. 3. 1809

Dresden den 1ten Merz 1809

Mein lieber lieber Mahlmann!
Unwürdig würde ich mich Ihrer Freundschaft fühlen, wenn ich die Absicht verkennen könnte, mit welcher Sie mich, eine Ungerechtigkeit nicht zu begehen, so schonend und liebevoll warnen. Man muß unsern Friedrich, dieses zarte Gemüth kennen, und ihn in seiner tiefen Gekräncktheit gesehen haben – man muß selbst Künstler sein, um in H. v. Ramdors Aufsatz die anmasenste Frechheit zu sehen – dann wird man begreifen wie ich mit meiner Gerechtigkeitsliebe so ungerecht dem H. v. Ramdor allen guten Willen absprechen, und ihn der Lüge und Boßheit beschultigen konnte. Wenn Sie Hartmanns Gegen Recension werden ganz gelesen haben (sie soll nebst dem beygefügten Aushänge Bogen [noch voller Fehler] noch 3 Bogen stärcker werden) dann sagen Sie mir: ob Sie Ramdors Aufsatz noch als gründlich und belehrend anerkennen, und ich will ohne weiter zu untersuchen Ihnen glauben. Biß dahin aber laßen Sie, mein lieber Mahlmann, uns Künstlern einmahl den Spielraum solchen Kunstrichtern mit Freymütigkeit unsere Meinung zu sagen, wodurch wenigstens neue Ansichten können gewonnen werden, und endweder diese Kunstrichter zum Schweigen gebracht, oder wir Künstler auf das blose Hervorbringen in unserer Kunst zurückgewiesen werden. Da mir meine Kunst und die Wahrheit am Herzen liegt, und ich Freund meinem Freunde bin – so muß auf den Willen die Tadt folgen. Schweigen darf ich auf diese Anmasung des H. v. Ramdor nicht – in welcher ein achtenswehrter Künstler, mein Freund, und die Kunst, meine Freundin, – beyde entwürdigt mir scheinen. Möge alßo der umgeänderte, freylich nun etwas gedehntere Aufsatz, Ihnen nicht mehr mißfallen. Daß ich mich Ihnen mit dem größten Vertrauen hingebe, versteht sich von selbst, und wo Ihnen ein Ausdruck auch zu hart scheint, da sey es Ihnen überlaßen ihn zu mildern. Doch wünschte ich, daß man die Gereiztheit, in welcher ich den Freund, den Künstler und die Kunst entwürdigt glaube, verspühren möge, denn so trete ich in meinem wahren Karackter auf. Doch haben Sie mich überzeugt, daß ich nicht beleidigend sein darf, und ich folge gerne des Freundes Stimme in allem guten. Der Eile wegen habe ich den abgeänderten Aufsatz nicht selbst abschreiben können, <152:> und ihn nur bis dahin geführt, wo sie selbst mit dem ersten zufrieden sind. Lieb wäre es mir, wenn Sie den Ausruf könnten stehen laßen, wo ich sage: „so rufe ich den Unreinen zu: Warum reiniget die Reinheit mich mit eurem unreinen Willen! – Doch, ohne daß Sie mir darüber ein weiteres sagen, gebe ich mich ganz in Ihren Willen, und bin auf alle Folgen gefaßt. Einmahl kann man ja auch dergleichen erleben, um es erfahren zu haben.
Mit der anderen Post erhalten Sie die andern Blätter aus dem Phöbus, wo ich die nötigen Stellen wieder einklammern werde. Lieber hätte Hartmann seinen gründlich durchdachten und ausgearbeiteten Aufsatz Ihnen gegeben, aber er fürchtete Sie würden ihn als zu lang – nicht aufnehmen können. Hätte er es gethan, so hätte ich nicht nötig ein Wort zu reden, aber eben weil der Phöbus nicht gelesen wird, wollte ich in Ihrem Blatte mich auch auf den Hartmannschen Aufsatz berufen, damit man wenigstens diesen beachten möge. Ich mache es Ihnen nicht zur Pflicht, die angedeuteten Stellen alle abdrucken zu laßen – wählen Sie selbst was Sie mit reiferer Einsicht für den Vortheil der guten Sache halten. Ich ehre Ihr Verhältniß gegen Ramdor, und kenne ihn persönlich zu wenig, um ihn für einen gescheuten und guten Menschen zu halten. So viel ich ihn aber kenne, halte ich ihn für einen Mann von vielen Kenntnißen, dem eben die Erkenntniß fehlt, welche durch viele und vielseitige Bildung den reineren Sinn des Menschen in ihm verbildet hat, welches er freylich nicht wissen kann, und nur des vielen Wissens sich bewußt, sich für einen tüchtigen Kerl hällt, der er auch in manchen Stunden sein kann. Was aber eine Sache der Kunst sein will – da bilden wir Künstler uns denn freilig ein, ganz deutlich zu sehn: daß bey dem vielen, was er gegessen, und nicht einmal verdaut hat, er sich bestrebt – mehr noch von sich zu geben. Wenn Sie es nicht für nötig halten meinen Namen ausgeschrieben diesem Aufsatz voran zu drucken, so ist es mir eben auch recht wenn statt dessen nur die Anfangsbuchstaben zu lesen sind. Halten Sie es aber für eine bessere Autorität so mag ihn das Publikum ganz lesen.
Ich wünschte mehr muße gehabt zu haben, um H. v. Ramdors Aufsatz gründlicher haben entgegnen zu können, und fühlte auch eine gewisse Scheu, mich so weitläufig zu entwickeln welches auch um so weniger mir nötig scheint, da Hartmann es zur genüge gethan hat, weswegen es denn guth sein muste, Sie verschmähten es nicht, die zur Wiederlegung führenden Stellen bey zu drucken, eben weil der Phöbus kaum über die Gränzen von Sachsen geth.
Übrigens können Sie überzeugt sein, daß ich ungerne mich in einen solchen Streit einlaße, der mir ungewohnte Arbeit ist, welcher ich überdem mich nicht gewachsen fühle, mag es hier zum ersten und letzten mahle sein, da ich es meiner bessern Überzeugung nach doch nicht laßen kann.
Es sieth gegenwärtig hier sehr kriegerisch aus, und wir sind voll Erwartung über die Dinge, die da kommen werden. Traurige Zeit! – Doch halte ich es für besser endlich zu sehn: wie viel die ausbrechende Flamme verzehren will, als täglich die glimmende Gluth, die man nicht löschen kann, mit Furcht beobachten zu müßen.
Leben Sie wohl, mein lieber bewehrter Freund, tausend Dank für die Zartheit und Schonung mit welcher Sie mich behandlen. Meine Frau grüßet Sie mit mir, grüßen Sie desgleichen die Ihrige auch mir unbekannt, und sagen Sie ihr viel gutes von Ihrem danckbaren Freunde

Gerhard Kügelgen. <153:>

[Am Rand auf S. 1]
Was Sie in dem Perioden Bau dieses Aufsatzes zu ändern wünschen kann nur zu meinem Vortheil sein, und ich wünsche, daß Sie mit den Zeichen mögen sich zurecht finden, und etwas Verworrenheit mit der Eile entschuldigen die mich drängt.

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