Albrecht
Weber (Hrsg.), Briefe der Familie Körner (1804-1815), in:
Deutsche Rundschau 4 (1878), H. 9 (Juni), 461-479; darin: 466f.
Dora Stock an Friedrich Benedikt Weber, Dresden, 19. 2. 1807
Dresden d. 19. Febr. 1807.
- Ueberzeugt, daß Ihnen Nachrichten von unserer Familie willkommen
seyn werden, von welcher Hand sie auch kommen mögen, ergreife ich statt meiner Schwester
die Feder, und hoffe günstige Aufnahme meines Briefs. Einen langen Brief
meiner <467:> Schwester, welchen sie dem Graf Seybolsdorf mitgab, haben Sie
warscheinlich nicht erhalten, und dadurch eine Menge kleiner Details eingebüßt, die uns
betrafen. Sie sind schwer nachzuholen, da eine ruhigere Gegenwart uns das vergangene
geringer erscheinen läßt. An uns sind Gott sey Dank die gewaltigen Erschütterungen
vorüber gegangen, und wir haben nur durch das unnennbare Unglück gelitten, welches so
viele andere traf. Wir haben bis vor 14 Tagen, täglich 14 bis 18 Mann
Einquartierung gehabt, wir haben dreyerley Contribution zahlen müssen; allein wir
beklagen uns nicht, denn dies ist eine Folge des Kriegs, welches wir mit vielen andern
tragen müssen. Aber den innern Frieden haben wir uns zu erhalten gewußt, und alles in
unserm Hause ist unverändert geblieben. Körner ist uns ein gutes Vorbild, in seiner
Nähe schämt man sich kleinmüthig zu seyn. Das unvermeidliche trägt er mit Ruhe, blickt
vertrauend in eine schönre Zukunft und genießt jede Freude, mit dem unnachahmlichen
Kindersinn, welchen Sie an ihm kennen. Unsere Concerte waren nur kurze Zeit unterbrochen
und wir haben ein paarmal in unserm Hause Comedien gespielt, die uns und den Zuschauern
viel Freude gemacht haben. Vieth spielt unübertrefflich schön, und würde auf dem
größten Theater, immer der erste seyn. Man freut sich wenn man dazu beytragen kann sein
Talent im schönsten Licht sehen zu lassen.
Ist die
Familie Kleist noch in Frankfurt? und vorzüglich die Schwester von Heinrich Kleist, eine
Frau von Massow? von dem Heinrich Kleist haben wir jezt ein Stück gelesen,
welches ganz vorzüglich ist und unverkennbare Spuren eines großen Talents trägt.
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