Gerhard
Walther, Das Berliner Theater in der Berliner Tagespresse 1848-1874 (Berlin:
Colloquium 1968), 147f.
Friedrich Wilhelm Gubitz über Kleist, Vossische Zeitung, 31. 1. 1866
Ein Beispiel für die dominierende Behandlung der theatergeschichtlichen Vorkommnisse gibt
uns Gubitz bei der Besprechung\59\ einer
Aufführung des Kleistschen Lustspiels Der zerbrochene Krug. Bei dieser
Aufführung erinnert sich Gubitz verschiedener Eindrücke über Kleist, die er in seiner
Jugend hatte, und schreibt: Da naht aber zugleich viel Erinnerung
weil
natürlich das Eigenwesen immer mit der Zurückschau auf Vergangenes sich
verwebt. Im Jahre 1810 sah ich Kleist in Berlin, die ganze
Erscheinung der nicht ansehnlichen Gestalt war ein Bild der Dürftigkeit. Er nährte sich
damals hauptsächlich durch ein Wochenblättchen,\60\
dessen Inhalt er, wie man mir sagte, in einem Gasthofe schrieb wegen der Mangelhaftigkeit
seiner Wohnung. Von wesentlicher Bedeutung ist uns aber in dieser Kritik die
Äußerung von Gubitz über das Ausbleiben der Dichtungen Kleists auf der Bühne zu seinen
Lebzeiten. Schon im Jahre 1810 hatte ich mit Iffland darüber gesprochen, weswegen
keine der Dichtungen von Kleist den Weg zur Bühne erreiche; doch ist es mir jetzt
deutlicher als damals, daß Jenem alles Geheimsinnige im schwärmerischen Dichtungswalten
nicht anfaßlich wurde für sein Ziel. Dazu kommt, daß Iffland von der sogenannten
,romantischen Schule, die ihren Heinrich von Kleist mit Grund als den Begabtesten
ihres Jüngerkreises hervorhob, fortwährend unterschätzt und mißhandelt wurde;
nächstdem war auch allerdings keine der Dichtungen zur Darstellung geeignet ohne
Bearbeiten, womit sich vor dem Tode Kleists niemand beschäftigen konnte oder wollte.
Dennoch hätte, nach meiner mir dauernd gebliebenen Ansicht, Iffland sich zu einem Versuch
entschließen sollen; denn daß er befähigt war, das Geistige in einer ihm nicht
anmutigen Richtung zu erkennen, ja sogar bereit, ihr die Bahn zu ebnen ist meiner
Erfahrung in mancher Hinsicht unzweifelhaft. Gubitz, der Iffland einen kleinen
Vorwurf nicht er- <148:> sparen konnte, endete mit einem Gedanken, den wir heute
noch vollauf teilen: Wahrscheinlich ist es: blieb der Weg zur Bühne für Heinrich
von Kleist nicht verschlossen, dann hätte er sich aus den ihm anhänglichen Unfläten und
Zerfahrenen gerettet.
\59\ Voss. Ztg. 31. 1. 1866.
\60\ Die Bezeichnung Wochenblättchen ist
falsch. Zu dieser Zeit gab Heinrich von Kleist die Berliner Abendblätter
heraus. Sie erschienen seit dem 1. 10. 1810, Sonn- und Feiertage ausgenommen,
täglich.
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