Franz
Wallner, Vom alten Pfuel, in: Die Gartenlaube 1 (1867), 11-14; darin: 12
Penthesilea
Pfuel, ein Mann der Wissenschaft, war namentlich in seinen
jüngeren Jahren mit vielen literarischen Größen befreundet,
unter andern auch mit Heinrich von Kleist, mit dem er einst
in Thun in einem Hause wohnte. Abends kam Kleist gewöhnlich
mit mehreren Cameraden bei Pfuel zum frugalen Abendbrod zusammen.
Eines Tages warteten die Freunde stundenlang vergebens auf
Kleist, erst, als die Gesellschaft schon im Begriffe war auseinanderzugehen,
trat der Dichter stumm und sichtlich verstört ein. Nach langem
Andringen endlich nahm er des theilnehmenden Pfuel Hand in
seine beiden, drückte sie krampfhaft, ein Strom von Thränen
entstürzte Kleists Augen, und mit bebender Stimme würgte
er schluchzend die Worte heraus: Sie ist todt!
Entsetzt sprangen Alle in die Höhe, um zu erfahren, wem die
Schreckenskunde gelte, und waren nicht wenig enttäuscht, als
sie erfuhren, daß die sie, welche gerade gestorben
war, die Heldin des heute vollendeten Trauerspiels Penthesilea
sei, von welchem Kleist soeben die letzten Scenen geschrieben
hatte. Das brüllende Gelächter, welches dieser Mittheilung
folgte, verletzte den Dichter so tief, daß er sich längere
Zeit nicht mehr im Freundeskreis sehen ließ.
Zur Zeit des ersten
Kaiserreichs lebte Pfuel ein halbes Jahr lang auch in Paris mit Kleist zusammen. Schon
damals trug sich letzterer mit Selbstmordgedanken und machte Pfuel eine Tages allen
Ernstes den Vorschlag: ob er sich mit ihm zusammen tödten wolle? Mit seinem
gewohnten Phlegma meinte dieser: Nun, wir können uns die Sache ja überlegen, bis
wir nach Berlin zurückkommen. In Dresden besuchte Pfuel mit
Kleist die Vorstellungen einer Somnambulen. Der sie begleitende Magnetiseur erklärte,
daß selbe gegen alle Berührung mit Metallen einen unüberwindlichen Abscheu habe. Nach
einer Weile flüsterte Kleist seinem Freunde zu, daß er den Nacken der Hellseherin mit
seinem Schlüssel heimlich berührt habe, ohne daß sie irgend Abscheu geäußert.
Nun, meint Pfuel, so drücke ihr einen harten Thaler in die Hand,
dagegen wird sie wohl noch weniger Aversion haben.
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