Karl
August Varnhagen v. Ense, Denkwürdigkeiten und Vermischte
Schriften, 6 Bde. (Leipzig: Brockhaus 1843), Bd. 2, 347f.
Kleists Selbstmord
Eine ernste Stimmung verdrängte den anfänglichen Scherz, auch der Fürst von Ligne
verhehlte nicht, daß er mit Sorgen auf Preußen blicke, welches den Kampf der
Verzweiflung gegen Napoleon unternehmen müsse. Tiedge war ein Franzosenfeind wie irgend
einer; noch am Tage vorher hatte er zu mir und Beethoven das kräftige Wort über Napoleon
gesagt: Sie können ja den Menschen gar nicht sehen, wegen des Glückes, das vor ihm
steht! Jetzt benutzte er den Anlaß, uns den dichterischen
Kriegsaufruf Germania an ihre Kinder von Heinrich
von Kleist mitzutheilen, eines Dichters, den er sonst wenig zu lieben bekannte, aber in
diesem Liede Tyrtäisch fand. Wir dachten nicht, daß wir seinen Schwanengesang hörten,
und daß wir zwei Monate später durch die Nachricht <348:> seines gewaltsamen Todes
erschüttert werden sollten, den er sich gab, weil er überhaupt am Leben verzweifelte,
und seine letzten Hoffnungen auf den nahen Krieg in dem wieder peinlich fortgesetzten
Frieden schmählich erloschen waren.
Emendation
Heinrich] Heinreich D
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