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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Karl August Varnhagen v. Ense, Denkwürdigkeiten und Vermischte Schriften, 6 Bde. (Leipzig: Brockhaus 1843), Bd. 2, 282f.

Berliner Abendblätter


Bei solcher Gelegenheit fehlte es nicht an persönlichen Bemerkungen, besonders über preußische Staatsbeamte, und die Kritik ihrer Handlungen gab ihm noch mehr Herzenserleichterung, als mir Belehrung, wobei mir nicht entging, daß in der Sache und in der Form seine raschen Aussprüche als parlamentarische Opposition oft von außerordentlicher Wirkung hätte sein müssen. In seinen Lieblingsvorstellungen ganz ritterlich gesinnt, auf einen starken und reichen Adel haltend, war Stein zugleich der eifrigste Bauernfreund, und wollte den Landmann durchaus frei und selbstständig wissen. In diesem Betreff rühmte er die neue preußische Gesetzgebung, die zwar nicht, wie man fast allgemein geglaubt, von ihm ausgegangen war, aber doch jede Förderung erhalten hatte. Hierbei kam er auf die Verdienste des in Königsberg verstorbenen Professor Kraus, dessen Schriften er mir gab und empfahl, und den er gegen neuere Angriffe mit Zorn vertheidigte. In Berlin nämlich gab damals Heinrich von Kleist deutsche Blätter heraus, in welchen Adam Müller den Werth von Kraus sehr herabsetzte, und ihn für einen bloßen Nachsprecher Adam Smith’s erklärte, dessen Grundsätze, als den Gewerbefleiß zum Nachtheil des Adels begünstigend, schon nicht mehr gelten sollten. Stein aber sagte von Kraus: „Der Mann hat mehr gewirkt und gethan, als diese Herren je vernichten werden. Die ganze Provinz hat an Licht und Anbau durch ihn zugenommen, seine Belehrung drang in alle Zweige des Lebens, in die Regierung und <283:> Gesetzgebung ein. Hat er keine neuen glänzenden Ideen aufgestellt, so ist er dafür auch kein ruhmsüchtiger Sophist gewesen, und die einfache Wahrheit klar und rein vorgetragen, auf ihren richtigsten Ausdruck gebracht, und Tausenden von Zuhörern erfolgreich mitgetheilt zu haben, ist ein größeres Verdienst als durch Geschwätz und Paradoxieen Aufsehen zu erregen. Aber so verhält es sich nicht einmal; Kraus war kein Nachbeter, Kraus hatte eine unscheinbare und doch geniale Persönlichkeit, die seine Umgebungen mächtig ergriff, er hatte Blitze neuer Einsichten, großer Anwendungen, und setzte uns durch sein unerwartetes Urtheil oft in Erstaunen. Wenn er indeß sein A. B. C. vortrug, suchte er das B. nicht hinter das C. zu setzen, und eine solche Neuerung als geistreich auszuschreien. Lesen Sie seine Schriften, klar und einfach ist da alles, und mehr brauchen Sie für jetzt nicht. Nebenher lesen Sie mir auch die Franzosen, um zu vergleichen und zu prüfen, die Leute haben auch was gethan!“ Wenn Stein so eiferte, gerieth seine Stimme und Gebärde in eine eigene Art von Zitterung, wobei er die Augen zudrückte, und die Worte zuletzt kaum noch ausklingen ließ.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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