Ludwig Tieck (Hrsg.), Heinrich von Kleists gesammelte Schriften, 3 Bde.
(Berlin: Reimer 1826), Bd. 1, Vorrede, IVf.
Kleists Studium in Frankfurt
Da er sich früher zum Soldaten bestimmt hatte, so war seine Erziehung nicht die
eines künftigen Gelehrten gewesen, und es war daher natürlich, daß er jetzt, im drei
und zwanzigsten Jahre, viele der Studirenden an Erfahrung, Ausbildung und entwickelten
Gedanken übersah, wie er in den nöthigen Vorkenntnissen hinter den meisten zurück
blieb. Dies verstimmte ihn oft, da er die Hemmung fühlte, und sein heftiger Geist nur gar
zu gern alles übersprang, was ihn von irgend einem Ziele zurückhielt. So heiter,
kindlich und ausgelassen er sein konnte, so ernst und verschlossen war er wieder in andern
Stunden; wie sehr er mit sich oft zufrieden war und sich seiner Fortschritte freute, so
haderte er doch auch nicht selten mit sich selber, hielt sich für unbrauchbar und
<V:> unfähig, und wollte immer mit Gewalt und in kurzer Zeit mit Trotz das
erzwingen, was nur Geduld, Ausdauer und Resignation auch dem ausgezeichneten Geiste
gewähren können.
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