Reinhold Steig, Neue Kunde zu Heinrich von Kleist (Berlin: Reimer 1902), 125f.
Ferdinand Grimm an Jakob und Wilhelm Grimm, Berlin, 23. 5. 1818
Am frühen Morgen stand ich vor des armen Kleists Grab; seine Frau liegt daneben.
Von der Anhöhe, ein geräumiger mit Kiefern umschloßner Platz, hat man eine helle
Aussicht über den weiten und breiten heiligen See zu allen übrigen gegen Sonnen
Untergang sich hebenden waldigen Bergen, fast bis zum fernen Spandau, dessen spitziger
Kirchthurm sich undeutlich blicken läßt, wol eine der stillschönsten Gegenden weit und
breit. Um die Gräber stehen etwa zwanzig hohe Pappeln, aber bis auf eine fand ich alle
verdorrt; dies rührt nun vom sandigen Boden her, worin sie <126:> schwerer
gedeihen; ich und Wilhelm\1\ nahmen mehre der
vertrockneten Stämme weg und pflanzten neue dahin, und zwar so eifrig, als ob uns jemand
daran zu stören kommen würde, und verbanden alle miteinander, so daß nach kurzem die
Bäumchen ordentlich einen Kranz bildeten und sich die Hände reichten. Es sah nun
wirklich wieder schön aus, als wir gingen und hinblickten. Keine Seele war gekommen, es
war so einsam da und still, und nur die Wald-Finken und Meisen ließen ihren Gesang
hören, und das war auch schön.
\1\ Nicht etwa Wilhelm Grimm, sondern
Ferdinands Gefährte auf dieser Wanderung.
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