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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Edmund Stengel (Hrsg.), Private und amtliche Beziehungen der Brüder Grimm zu Hessen. 3 Bde. (Marburg: Elwert 1886/1910), Bd. 3 (1910): Briefe der Brüder Grimm an Paul Wigand, 85-89

Wilhelm Grimm an Paul Wigand, Kassel, 16. 9. 1811

C. am 16 Sept. 1811.

Du drückst es recht gelind aus, lieber Wigand, und läßt mich darin deine Freundschaft erkennen, daß es Unrecht dir noch nicht geschrieben <86:> und meine glückliche Ankunft gemeldet zu haben, was, wenn es wahr, groß Unrecht und Undankbarkeit gegen viele Freundschaft Liebe und recht herzliche Theilnahme die Ihr beide mir erzeigt, gewesen. Die Sache aber verhält sich also: Nach meiner Ankunft, wo noch Meße war und allerlei Seltenes zu haben, suchte ich gleich noch nach einigen frischen grünen Obest für das Kind, das ich Euch schicken, mich dabei herzlich bedanken und Euch mir geneigt machen wollte. Weil alles fast reif, war es schwer zu erlangen, doch Geld und gute Wort drangen durch, und so erhielt ich was ich wünschte, packte es ein, und legte einen Brief bei, der eine ausführliche Geschichte meiner Reise, meiner Ankunft, nachherigen Gedanken vor allen der dankbaren enthielt. Die Schachtel konnte aber nicht fort, weil mir ungeachtet aller Bitten die ich an Ristelhuber ergehen ließ, niemand einen Boten zuschickte, eben ietzt erst habe ich sie der Güte deiner Mutter übergeben und ich hoffe Ihr werdet sie bald erhalten. Du wirst also dort lesen, was ich hier nicht wiederholen will, aber im Sinn behalten. Bitt auch deine liebe Frau mir bis dahin doch freundlich zu bleiben und in Güten meiner (S. 2) gedenken, ich grüße sie herzlich wie auch das Kind.
Was mich heute zum Schreiben bringt ist erstlich der Wunsch meine Schuld bei dir abzuwaschen, zweitens der Umstand, daß ich dort glaube ein altes Manuscript liegen gelaßen zu haben, es ist in klein 8 Format, in alt Pergament eingebunden, unansehnlich, und enthält auf Papier geschrieben den Morolf. Ich glaube gewiß, daß es auf dem Tisch <87:> in deiner Stube liegt, wo ich geseßen, ich glaubte es so sicher, daß ich ietzt erst einigermaßen beunruhigt bin, weil du es nicht mitgesendet. der Jacob hat es zu Dresden geliehen, weshalb viel daran gelegen. Sey daher gleich so gut und darnach zu suchen, und melde mir den Erfolg mit umgehender Post, du kannst es dann mit Gelegenheit herschicken, aber mit sicherer, auch mein Pettschaft, das dort muß liegen geblieben seyn.
Mit den Soldaten hast du ganz recht, da ihn die Uniform macht, mußt du ihn auch in dieser suchen, nicht aber in dem, womit sie (S. 3) ausgefüttert ist, welches ein ganz guter armer Mensch seyn kann, der die größte Achtung vor seiner (tüchernen oder ledernen) Seele hat und sich vor der nicht regen mag, wie ein Hahn, dem ein Strohalm oder Kreidestrich vor der Nase hergemacht ist. Hat er ein wenig Leben in sich, so regt er sich, die enge Uniform platzt dann und das Fleisch lacht durch das Loch so lang bis der Regimentsschneider es wieder geflickt hat.
Was den Schnarrpeter betrifft, so ist der meiner Meinung nach erstlich gar nicht auf die Welt gekommen als Mensch, sondern er hat das Sprechen gelernt, wie der Rabe, den wir hörten, und ist ein Nichtmensch oder zierlicher: ein Vieh. Wie jener Rabe nur das erstemal sprach ist mirs deutlich geworden, nun rechne dazu, seine seltsame Eßlust, die Manier dabei, mit welcher er zusammengescharrtes erst in Sicherheit bringt und vom großen Haufen frißt, u. andres mehr. Ich bitt dich, halt ihm einmal einen Brocken Fleisch vor, er wird danach <88:> schnappen. (S. 4) Es ist gar nicht bildlich gemeint, wann er spricht es lebt noch ein Gott, der die Raben nährt.
Schick dem Haxth. auch noch die Numancia das A.B.C. aber nicht. Deine Meinung hab ich auch von dem Buch, wie du in einer Recension kannst ausführlicher sehen. Vielen Dank für Volksliederbemühung schick mir nur immer das eine, die spanische Pistole gefällt mir so ziemlich. Sobald all meine auswärtigen Bücher wieder da sind, will ich einige neue ausfliegen laßen, auf 2 Bände Erzählungen, von Kleist kannst du dich freuen. Meine schönste Empfehlung an Mdme Gehrken, ich kann ihr noch keinen Vogel senden, weil ich erst wißen muß welche Männchen sind bei der jungen Zucht. Übrigens sag ihr, daß ich an unsere vergnügte Fahrten gedächte sowie an den excellenten delicaten dreiehlenlangen Fisch, denn es hülf doch nichts, wenn ichs unterließ wegen des Sterbens.
Überhaupt wünsch ich allemal um Tischzeit ein Friedensrichter zu seyn, weil ein solcher delicates und vortreffliches Eßen bekommt, mir aber geben sies nicht, weil ich mich noch nicht um den Staat verdient gemacht habe.
So wünsch ich dir eine gesegnte Mahlzeit u. gesegnetes Productenbuch, zuweilen ein bischen Spectakel mit den Mägden, der auch seinen Nutzen hat und mir fernere Fortdauer deiner Freundschaft.
Jacob grüßt auch herzlich

W. C. Gr.
Deine Criminal Sachen sind immer die besten und interessant. Schreib doch ja alles merkwürdige, <89:> d. h. besonders eigenthümliche und Lebendige das dir vorkommt auf, das gibt ein gutes Buch.

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Letzte Aktualisierung 23-Jan-2003
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