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Peter Staengle, Nachtrag zu „Fräulein von Zenge nebst Kleist, Krug, Tasse und Bild“, in: BKB 7 (1994), 105f.

Wilhelmine Krug an Henriette Solger, Leipzig, 15. 4. 1822

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Leipzig den 15tn April 1822

Liebe Frau Professorinn.

Sie waren so gütig mir den Brief von meiner Schwester mitzutheilen, welchen ich Ihnen mit vielem Danke wieder zustelle. Ich habe diese Schilderung von meinem unglücklichen Jugendfreunde mit großem Interesse gelesen, doch finde ich, daß Luise von dem Gange seines inneren Lebens zu wenig, und von mir, zu viel gesagt hat, und, wenn man sein schreckliches Ende entschuldigen will, muß man ^sein^ unglückliches Gemüth, genau gekannt haben. Meine Schwester hat mich schon längst gebeten, H. D. Tiek einige von Kleists Briefen mitzutheilen, ich konnte mich nicht dazu entschließen, da von mir so viel die Rede darinn ist, doch sind diese Briefe der treueste Spiegel seiner Seele, und da ich wünsche, daß die schrecklichen Urtheile welche man nach seinem Tode über ihn fällte durch einen Blick in sein Inneres möchten gemildert werden, so will ich mich selbst vergessen, und Ihnen einige von Briefe zuschicken, welche mir die interessantesten zu sein schienen. Ich habe nicht das Glück

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Sie näher zu nnen kennen, doch habe ich durch meine Schwestern so viel Gutes von Ihnen gehört, daß ich voll Vertrauen es Ihrem Zartgefühl überlasse was Sie H. Tiek davon mittheilen wollen. Wunderbare Fügungen des Himmels haben mich von Kleist getrennt, doch wird er meinem Herzen <106:> immer werth bleiben. Mein größter Wunsch war es daß er an der Seite eines andren weiblichen Wesens glücklich werden möchte, doch auch dieser Wunsch ist unerfüllt geblieben.
Von den letzten Jahren seines Lebens weiß ich wenig, einmal hat er uns in Leipzig besucht. Er soll die letzte Zeit körperlich, und geistig krank gewesen sein, sogar mit Mangel hat er zu kämpfen gehabt, das habe ich erst nach seinem Tode erfahren. Haben Sie H Tiek die Briefe mitgetheilt (aber auch nur ihm der das menschliche Herz versteht) so bitte ich, sie mir wieder zuzuschicken. Ich brauche wohl nicht erst zu erinnern, daß im Fall noch etwas über Kleist öffentlich gesagt

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würde, ich nicht wünsche genannt zu werden. Wie soll ich mich aber bei Ihnen entschuldigen daß ich Ihnen mit einem so langen Briefe und mit solchen Aufträgen beschwerlich falle, doch ich hoffe Sie nehmen meinen Brief freundlich auf, und werden meine Wünsche erfüllen. Wie sehr würde ich mich freuen wenn ich ^einmal^ das Glück hätte Sie näher kennen zu lernen, und Ihnen mündlich sagen könnte wie sehr ich Sie hochschätze.

Wilhelmine Krug
gebohrne von Zenge.

Wilhelmine Krugs Bild an Henriette Solger vom Frühjahr 1822, von dem bislang nur ein – inzwischen verschollenes – Konzept bekannt geworden ist (BKB 6, Dokument 8), hat sich erhalten und wird heute, worauf mich Stefan Ormanns (Bonn) dankenswerterweise aufmerksam gemacht hat, in der Universitätsbibliothek Amsterdam (Sammlung Diederichs; Signatur: Died 97 Cw 1) aufbewahrt. Der von Ormanns entdeckte Autograph ist datiert.

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Letzte Aktualisierung 04-Feb-2003
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