Peter Staengle,
Kleist bei Varnhagen in Kraków, in:
BKB 7 (1994), 53-103; darin: 57f.
Abschrift: Henriette Vogels Todeslitanei
für Kleist
Abschrift. An
Heinrich von Kleist.
Mein Heinrich, mein
süße Blumenerde ^Süßtönender^, mein Hÿazinthen=Beet,
mein Wonnemeer, mein Morgen und Abendroth, meine Aeolsharfe,
mein Thau, mein Friedensbogen, mein Schooßkindchen, mein liebstes
Herz, meine Freude, mein Leid, meine Wiedergeburt, meine Freiheit,
meine Fessel, mein Sabbath, mein Goldkelch, meine Luft, meine
Wärme, mein Gedanke, mein theurer Sünder, mein Gewünschtes
hier und jenseit, mein Augentrost, meine süßeste Sorge, meine
schönste Jugend, mein Stolz, mein Beschützer, mein Gewissen,
mein Wald, meine Herrlichkeit, mein Schwerdt und Helm, meine
Großmuth, meine rechte Hand, mein Paradies, meine Thräne,
meine Himmelsleiter, mein Johannes, <58:> mein Tasso,
mein Ritter, mein Graf Wetter, mein zarter Page, mein
Erzdichter, mein Kristall, mein Lebensquell, mein Reh, meine
Trauerweide, mein Herr Schutz und Schirm, mein Hoffen und
Harren, meine Träume, mein liebstes Sternbild, mein Schmeichelkätzchen,
meine sichre Burg, mein Glück, mein Tod, mein Herzensnärrchen,
meine Einsamkeit, mein Schiff, mein schönes Thal, meine Belohnung,
mein Welttheil, meine Lethe, meine Wiege, mein Weihrauch und
Mÿr^r^hen, meine Stimme, mein Richter, mein Heiliger, mein
lieblicher Träumer, meine Sehnsucht, meine Seele, meine Nerven,
mein goldner Spiegel, mein Rubin, meine Sÿrings Flöte, meine
Dornenkrone, meine tausend Wunderwerke, mein Lehrer und mein
Schüler, wie über alles gedachte und zu erdenkende lieb
ich Dich.
Meine Seele sollst
Du haben.
Henriette.
Mein Schatten am
Mittag, mein Quell in der Wüste, meine geliebte Mutter, meine
Religion, meine innere Musik, mein armer kranker Heinrich,
mein zartes, weißes Lämmchen, meine Himmelspforte.
- H.
H: BJK, Slg. Varnhagen, s. v. Heinrich v. Kleist.
Eine andere, heute verschollene Abschrift wurde durch Peguilhens
Nachlaß überliefert (Erstdruck: Paul Lindau, Über die
letzten Lebenstage Heinrich von Kleists und seiner Freundin,
in: Die Gegenwart 4 [1873], Nr. 31-34; hier: Nr. 32,
88); ihr folgt, mit Abweichungen gegenüber dem Erstdruck,
der Text in: H. v. Kleists Werke, Im Verein
mit Georg Minde-Pouet und Reinhold Steig herausgegeben von
Erich Schmidt (Leipzig, Wien [1904/5], Bd. 5, 484 [Besitzernachweis:
Meyer Cohn; cf. Katalog der Auktion von J. A.
Stargardt, 23. - 28. 10. 1905 in Berlin:
Die Autographen-Sammlung Alexander Meyer Cohns.
[
] Erster Theil (Berlin 1905), Nr. 1709]; kürzlich
wieder zum Vorschein gekommen ist das Original einer Abschrift
(Hermann F. Weiss, Stefan Ormanns, Wiederaufgetauchte
Kleist-Autographen, in: Beiträge zur Kleist-Forschung
1992, 63-70; hier: 68 Anm. 19), von welcher bisher
nur eine Fotografie (aus dem Nachlaß Eva Rothe, Amerika-Gedenkbibliothek
[Berlin]) bekannt war und deren Text von Lindaus Druck abweicht.
n] ne überschrieben
H
rr] r überschrieben
H
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