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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Peter Staengle, Fräulein von Zenge nebst Kleist, Krug, Tasse und Bild, in: BKB 6 (1993), 25-59; darin: 42f.

Wilhelmine Krug an eine Freundin, Leipzig, 26. 8. 1823

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       Leipzig den 26tn August
Werthgeschätzte Frau          1823

Die Güte und Freundlichkeit mit der Sie sich in Dresden unserer angenommen hat mir so wohl gethan, daß ich nicht umhin kann Ihnen noch schriftlich dafür zu danken. Es ist eine Schwäche der weiblichen Natur, und besonders der meinigen, niemals selbständig zu werden, ich kann den Schutz, und noch weniger die Liebe anderer Menschen entbehren, ja: lachen Sie mich nicht aus, wenn ich Ihnen versichere, daß ich die erste Zeit in dem schönen Dresden recht wehmüthig gestimmt war, weil alles so fremd, und gleichgültig bei mir vorüber ging, erst in Ihrem traulichen Stübchen ist mir wohl geworden und der interessante Abend bei der G: Fink und bei Tieks war mir eine wahre Herzstärkung! schade daß er so kurz war, und dieser Genuß auch nicht wieder kehrte. Als wir den Abend nach Hause gingen fragten Sie mich = ist denn Krug nicht eifersüchtig auf Kleist? = Diese Frage hat mich beunruhigt, und ich fühle mich gedrungen darüber noch etwas zu sagen. Für Krug war meine Jugendgeschichte kein Geheimniß, und als er um mich warb, sagte ich ihm ganz offen daß Kleist mir niemals gleichgültig werden könne, dennoch gab er mir voll Vertraun seine Hand, und hat mir auch nie das geringste Mistraun gezeigt, im Gegentheil, er war es, welcher Kleist

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damals in Königsberg wieder bei uns einführte, ohne daß ich jemals den Wunsch geäußert hätte. Als er ^Kleist^ im Jahre 1806 <43:> bei Annäherung der Franzosen Königsberg verließ, und später in Dresden den Phöbus herausgab, brachte mir Krug das darin abgedruckte Gedicht die beiden Tauben, und sagte = sieh da hat dir dein Freund noch etwas gesungen =. Sie sehen aus allem diesen daß mein Mann durch diese frühere Verbindung auch nicht im geringsten beunruhigt wurde, wie sollte das jetzt noch der Fall sein, wo ich se über 20 Jahre von Kleist getrennt bin, und er schon 12 Jahre im Grabe ruht. Ich kann versichern daß ich es nie bereut habe nicht seine Frau geworden zu sein, doch ist mir sein Schicksal sehr nahe gegangen, und sein Andenken wird mir immer werth bleiben. Wie gern möchte ich Tieks Wunsch erfüllen und ihm noch etwas von dem Kleistschen Nachlaß mittheilen, doch, ich muß es nur bekennen daß ich so thöricht war viele von seinen Briefen zu verbrennen. Als ich mich verheirathete, glaubte nahm ich mir vor, diese Briefe nicht wieder zu lesen, weil sie alle in der höchsten Leidenschaft geschrieben, ^und^ da ich mir ^aber^ selbst nicht so viel Kraft zutraute meinem Vorsatze treu zu bleiben verbrannte ich die Briefe, zum Glück kam meine Schwester Luise dazu, und rettete

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was ich noch besitze. Einen seiner ersten poetischen Versuche Ariadne auf Naxos habe ich noch gefunden, und um den H D Tiek zu zeigen wie gern ich ihm gefällig sein möchte, überschicke ich dieses. Vielleicht eignet es sich in das Wendsche Taschenbuch aufgenommen zu werden, doch will ich darüber gar nichts entscheiden, und überlasse das ganz seinem Dafürhalten. In meinem Hause habe ich alles sehr wohl gefunden, wir kamen noch früher als man uns erwartete, mein alter, und mein junger Krug waren im Begriff uns entgegen zu reiten, meine Zimmer waren sehr schön mit Blumen und Kränzen geschmückt, und meine liebsten Blumen, die Kinder, kamen mir gesund und freudig entgegen. Auch mein Mutterchen fand ich sehr munter, und mein Hauswesen in so guter Ordnung daß mir nichts zu wünschen übrig blieb.
Obgleich wer wir gern an das schöne Dresden und dessen freundliche Bewohner zurückdenken, so freuen wir uns doch wieder zu Hause zu sein, denn die häußliche ^Ordnung^ thut uns gar zu wohl. Mein Mann, meine Mutter, und Schwester lassen sich Ihnen und der Solger bestens empfehlen, auch die G Fink, und die Tiekschen Familie grüßen Sie vielmals von uns allen.
Wie leid thut es mir die arme Solger so leidend zu finden

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ich hatte mich darauf gefreut recht viel mit ihr zusammen zu sein, und habe sie leider so wenig gesehn. Führt Sie ihr Weg einmal über Leipzig, so hoffe ich Sie sprechen bei uns ein, mit großer Freude würde Sie empfangen

Ihre

Ihnen von Herzen ergebene
Wilhelmine Krug

H: FHD, Sign.: Hs-2803 (1912 erworben bei C. G. Börner, Leipzig [Katalog 22, Nr. 484]).
Werthgeschätzte Frau] dem Brief ist zu entnehmen, daß es sich bei der Adressatin nicht, wie von der neueren Forschung im Gefolge der fragmentarischen Wiedergabe und dezidierten Zuschreibung in Helmut Sembdners Dokumentationsbänden (Lebensspuren Nr. 147, Nachruhm Nr. 167) angenommen, um Henriette Solger handelt.
G: Fink] Gräfin Finkenstein
die beiden Tauben] „Die beiden Tauben, eine Fabel nach Lafontaine“, in: Phöbus, Zweites Stück, Februar 1808, 32-34.
Ariadne auf Naxos] nicht überliefert
n] m überschrieben H

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