Helmut Sembdner, Die
Berliner Abendblätter Heinrich von Kleists, ihre Quellen und ihre Redaktion (Berlin:
Weidmann 1939), 20-22
Auszug aus Beobachter an der Spree, 19. 11. 1810
Auszüge aus den Krähwinkelschen merkwürdigen
Tagesblättern.
N. B. Die Redaktion dieser seit einigen Mondswechseln erscheinenden Blätter hat
uns dienstfreundlich und kollegialisch ersucht, jezuweilen aus denselben unserm Publikum
etwas zum Besten zu geben.
Indem wir nun aus einem vor
uns liegenden Packet uns von der Nützlichkeit, Mannigfaltigkeit, Merkwürdigkeit und dem
allgemeinen Interesse sattsam überzeugt haben, so sind wir entschlossen, aus allen
Rubriken, vorzüglich aus der darin enthaltenen Tagesgeschichte, in jedem unserer
künftigen Blätter, das Merkwürdigste aufzunehmen, um einerseits das Publikum danach
lüstern und zur eignen Anschaffung der Tagesblätter geneigt zu machen und den
Unternehmern dadurch auf die Beine zu helfen, so wie auch andrerseits zu beweisen, daß
wir, wie immer, jedes neue Unternehmen, was selbst das unsrige auf den ersten Blick zu
beeinträchtigen scheinen könnte, dennoch mit aller Wärme und Uneigennützigkeit
unterstützen und auch diese Exzerpte gratis aufnehmen. Wir geben diesmal eine
Übersicht aller in den Krähwinkelschen täglichen merkwürdigen Nachrichten
enthaltenen Rubriken nach der Reihenfolge. <21:>
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Seitdem in Athen [Spreeathen!] die akademischen Vorlesungen ihren
Anfang genommen haben, stehen mehrere der ehemaligen ästhetischen belletristischen und
unwissenschaftlich-wissenschaftlichen Katheder auf öffentlichem Trödel, und haben die
Lektoren theils das Gewehr gestreckt, theils sind sie auf Reisen und Abentheuer
ausgezogen.
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Bagdad, den 31ten Febr. Am 12ten d. ist der Pascha mit der seinem Kommando übergebenen
Division von 345,678 Mann bei angenehmer Witterung ausmarschirt und noch vor Einbruch der
Nacht durch die Meerenge von Gibraltar gezogen. usw.
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Eine alte Frau zerbrach gestern ein Brillenglas bei Besichtigung ihres schadhaften
Unterrocks.
Freitags früh riß einem
rechtlichen, ehrbaren Manne auf der kurzen Brücke der Hosenträger.
Am verwichenen Donnerstag
sind durch Nachlässigkeit zweier Dienstmädchen die Erbsen angebrannt und kaum zu
genießen gewesen.
Auf der Aufziehbrücke
ersäufte am Mittwoch Morgens vor der Reveille der Lebküchler Honigkuchen
zwei in Einer Falle gefangene Ratten, und ist deshalb zur Verantwortung gezogen.
Gestern Abend gegen
7 Uhr verbreitete sich bei der großen <22:> Dunkelheit auf einmal eine
bedeutende Helligkeit. Bei näherer Untersuchung fand sich, daß der Mond eben im Aufgehen
begriffen war. usw.
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In der Frostschen Buchhandlung in Krähwinkel ist so eben erschienen und versandt worden:
Oratio aesthetico-oeconomica de lana caprina,
auctore Joanne Wind, Ex-Baccal. titul.
Ein halber Bogen in Querquarto, auf grau Papier, Ladenpreiß 9 Pf. netto
6 Pf. <
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Schlußbemerkung des Beobachters.
Durch diese weitläuftige Inhaltsanzeige der Krähwinkelschen Tagesblätter glauben wir
nicht nur der Redaktion derselben sattsam genügt, sondern auch das Publikum auf diese
neue leckere Kost übervoll aufmerksam gemacht, zur Tafel geladen, und uns des Dankes
Beider werth gemacht zu haben. Wir offeriren der erstern auch noch recht gern unsere
Blätter, wenn es derselben an humoristischem Stoff fehlen sollte, nach Belieben zu
nützen und zu plündern und bitten blos, nicht buchstäblich zu exzerpiren, um den Schein
zu vermeiden, daß sich leichter etwas abschreibt, als entwirft, oder mit Kosten
anschafft.
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