Hans Joachim Schoeps,
Aus den Jahren preussischer Not und
Erneuerung. Tagebücher und Briefe der Gebrüder Gerlach
(Berlin: Haude & Spener 1963), 441-443
Friedrich Meier an Wilhelm v. Gerlach, Dresden,
17. 3. 1809
Dresden,
den 17. März 1809
Hier ist ein Herr
v. Voelderndorf, ein junger Mensch, dessen Bruder mit
mir zugleich in Halle studierte, aus Bayreuth\152 \. Er kennt Jean Paul
sehr gut persönlich (sonst gar nicht!), der sehr viel im Hause
seiner Eltern ist. Er hat mir <442:> erzählen müssen,
was er weiß. Jean Paul ist sehr stark und fett. Er hat beständig
einen häßlichen schmutzigen Spitz bei sich, den er allenthalben
mit sich nimmt. Im Sommer hat er ihn (J. P. nämlich,
nicht den Spitz) oft des Mittags in der größten Hitze ohne
Hut, in der einen Hand einen großen Krug, mit Bier, in der
andern ein Glas, unter dem Arm einen großen Pack Papier, über
die Straße zum Tor hinausgehen sehen. Da geht er nach Fantaisie
oder Hermitage (das habe ich nicht ganz behalten), legt sich
unter den Schatten eines großen Baumes, läßt sich kalten Braten
und Butterbrot geben und fängt dann an zu schreiben. Abends
geht er zurück. Seine Kinder erzieht er wies Vieh (wie er
sagte). Sie müssen barfuß gehen, essen Brot und Wasser (das
klingt ungeheuer lächerlich), dürfen in die Stube spucken
etc. Er kann keine Note spielen, soll sich aber oft ans Klavier
setzen und lange sehr schön phantasieren (kann das nicht beurteilen
und ist mir nicht ganz wahrscheinlich)! Er trinkt gern viel
Wein
Meinen
Brief an Jean Paul habe ich wirklich den 22. März auf
die Post getragen; es fiel mir ordentlich schwer aufs Herz,
als ich ihn abgegeben hatte, daß es nun geschehen und irreparabel
war. Erst wollte ich ihn Dir abschreiben, ich habe ihn aber
später wieder gelesen und mich geschämt, ihn abgeschickt zu
haben, und kann ihn Dir nun unmöglich mitteilen, weil er so
dumm, matt, steif und hölzern ist, daß ich rot werde, wenn
ich nur daran denke. Wer weiß, wie viel solcher Art Briefe
er schon bekommen haben mag; vielleicht preist er die toten
Schriftsteller, z. B. Shakespeare selig, daß doch nicht
jeder Schöps, dem ihre Schriften gefallen, ihnen schreiben
und es ihnen auf eine plumpe Art sagen kann. I nun, frankiert
habe ich den Brief wenigstens. Ich habe jetzt angefangen,
auch das Morgenblatt mir bringen zu lassen, weil oft Aufsätze
von ihm darin sind. So ist gleich im ersten Blatt dieses Jahres
ein ganz allerliebster witziger Aufsatz, ein Schreiben an
den Mercurius, der in diesem Jahre nach dem Kalender das Regiment
führt, in dem er ihm die Erde empfiehlt. Suche es ja zu bekommen,
es ist sehr gut.
Noch
eins: Ramdohr hat Friedrichs Altarbild\153\, welches ihr angefangen sahet, in der Eleganten
Zeitung auf eine elende und dumme Art getötet. Hartmann hat
im Phöbus (im 11. und 12. Heft, der Aufsatz ist
aber auch besonders abgedruckt zu haben) darauf geantwortet
und Ramdohr auf eine sehr gute und witzige Art so lächerlich
und verächtlich dargestellt, wie ich es ihm nicht zugetraut
hätte, am meisten durch einen Auszug aus Rahmdors Schriften
in kurzen Fragmenten, unter dem Titel Not- und Hülfsbüchlein
für Künstler und Kunstliebhaber zu Mildheim, mit Fleiß aus
des Herrn v. Ramdohr Schriften zusammengetragen\154\.
Suche doch ja, dies zu bekommen, wenn auch nur, um die ungeheuere
Dummheit, Frechheit und Lächerlichkeit dieses Menschen ken-
<443:> nen zu lernen. Es muß Dich ja auch so interessieren,
da Du alle Personen kennst\154a\.
Kügelgen hat auch etwas, aber schlecht und wässerig in der
Eleganten entgegnet und Ramdohr wieder darauf, ohne sich auf
Hartmanns einzulassen als nur mit einigen schlechten Seitenhieben.
Hartmann will aber, wie ich gehört habe, noch einmal ganz
rücksichtslos darauf antworten
\155\
\152\ Frh. Alexander
C. von Völderndorf und Waradein, Sohn des bayerischen
Regierungspräsidenten in Bayreuth, geb. 1788; vgl. E. Steinmeyer:
Register zur Matrikel der Universität Erlangen, München
1918, 172.
\153\ Caspar
David Friedrichs Altarbild Das Kreuz im Gebirge
war für die Hauskapelle der Gräfin von Thun und Hohenstein
in Tetschen bestimmt und galt als ein Programmwerk der
romantischen Kunst (v. Einem). Das Ölgemälde hängt
heute in der Dresdner Gemäldegalerie.
\154\ Der Titel
ist einem Opusculum von 1799 nachgebildet, das die Zielscheibe
der romantischen Polemik (A. W. Schlegel, Tieck,
Brentano, Görres) gewesen war.
\154a\ Wilhelm
hatte sie von Dessau aus auf einer Reise kennengelernt und
im Sommer 1812 wieder aufgesucht und zwar Hartmann,
Kügelgen und Naecke , wie er seinem Bruder Leopold
mitteilt.
\155\ Über den
Streit zwischen dem Kammerherrn von Ramdohr und dem Kunstkritiker
Ferdinand Hartmann, in dem Ramdohr Friedrichs Altarbild vom
klassizistischen Standpunkt aus ablehnte, während Hartmann
die religiöse Landschaftsmalerei verteidigte, vgl. C. D. Friedrich:
Bekenntnisse, Leipzig 1924, 267ff.; H. von Einem:
Caspar David Friedrich, Berlin 1950, 40f.
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