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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Ingeborg Schnack (Hrsg.), Der Briefwechsel zwischen Friedrich Carl von Savigny und Stephan August Winkelmann (1800-1804) mit Dokumenten und Briefen aus dem Freundeskreis (Marburg: Elwert 1984), 181f.

Friedrich Karl v. Savigny an Stephan August Winkelmann, Marburg, 2. 11. 1803

Marburg 2. Nov. 1803.

Es ist jezt ein Jahr, lieber Winkelmann, da schriebst Du mir: „ich wünsche sehnlich, daß Du Gunda’s Werth einsehen mögest“. Ich schwöre dir, daß Du nicht gewußt haben kannst, wieviel Du sagtest, so wie ich es erst jezt weis. Ich fühle deutlich, daß unser Verhältniß viel dabey gewinnen wird, und ich bin stolz genug zu glauben, daß auch Du dabey gewinnen wirst. Über das alles aber läßt sich besser reden als schreiben, und es ist nothwendig, daß wir uns sprechen. Höre meinen Vorschlag. Nach Cassel kann ich nicht wohl kommen, unvermeidliche Visiten und ein sehr guter Freund den ich dort habe, würden unsere Zusammenkunft sehr stören. Kommt es Dir also auf 3 Meilen nicht an, so laß uns in Wabern zusammen seyn, wo uns nichts zerstreuen wird. Ist Dir dieser Vorschlag recht, so disponire Du über das übrige, und bestimme genau den Tag an welchem Du dort seyn wirst, ich werde nicht fehlen.
Du schreibst an Gunda von mir: „Einiges habe ich seither in seinem Betragen tadeln müssen, doch gewiß nur weil mir seine Erklärungen darüber fehlen … Ich kann ihm nicht schreiben, wegen des Clemens“. Geh’ in Dich, bessere Dich, schreibe, das muß schon ganz abgethan seyn, noch ehe wir uns sprechen. Wisse, daß Clemens immer nur wenige Briefe bey mir gelesen hat, seit geraumer Zeit keine von Bedeutung. Über das alles mündlich.
Auch von Deinen literarischen Planen müssen wir viel reden. Ich wollte Dir immer manches schreiben, aber Sprechen ist besser. Was mich betrifft, sieht es ganz gut aus: mein Leben fängt an vor mir zu liegen wie ein Rechenexempel und wie ein lustiger Frühlingsmorgen zugleich: wie das leichteste luftigste Spiel und wie der gröste einfachste Ernst. Ich fange selbst an, meine Freude an mir zu haben, und Du sollst sie auch haben. Jezt könnte ich mich nicht mehr darüber freuen, daß ich sehr gelehrt seyn werde, wenn ich nicht die Gewißheit hätte, immer mehr Kind zu werden. Ich will deinen Franz von Sickingen wahr machen.
Vergiß nicht, mir sogleich Deine politische Broschüre zu schicken.
Schroffenstein ist sehr gut, voll Erfindung und, was vorzüglich zu loben, auser unsrer Zeit. Ich freue mich darüber, obgleich es mich individuell weniger anspricht.
Hast du gelesen: Erzählungen von Schauspielen in der Europa II. 1.? ich finde es eben so gros als liebenswürdig und es gehört mir zu den wenigen auserlesenen Stücken, zu denen ich oft zurück zu kehren gedenke. Du weist wohl nicht, daß Arnim der Verfasser ist.
Ich bin 6 Wochen verreist gewesen: Frankfurt, Mainz, Coblenz, Cöln, Trier, Luxemburg, eine herrliche Reise, selbst wenn ich alles abziehe, was ihr nicht angehört. Literarisch grose Schätze gesammelt und Connexionen angeknüpft. Trier bey weitem die merkwürdigste unter diesen Städten, höchst heiter und anmuthig durch seine Lage, und gros durch seine herrlichen Gebäude, wovon Eines wahrscheinlich vorrömisch und zugleich fast ganz erhalten ist. Auch einige sehr liebe Bekanntschaften habe ich gemacht.
Die Mereau kommt in einigen Wochen hierher um hier zu wohnen: auch davon mündlich.
Clemens hat, nachdem er auf viele Briefe gar keine Antwort bekommen, endlich ein gedrucktes Ex. seines Lustspiels erhalten, aber weder Geld noch Freyex., noch <182:> Brief. Sage, was zu machen ist. Du stehst wohl in keiner Connexion mehr mit Dieterich? Das schlimmste ist, daß kein schriftlicher Contract da ist. Schreibe über das Ganze an Clemens, damit ich ihm Deinen Brief nicht zu zeigen brauche.

Adieu. Dein S.

Die Reise von Camus ist viehdumm, ich schicke sie Dir, weil sie viele, obgleich oberflächliche Nachrichten von öffentl. Anstalten für Arme und Kranke enthält.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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