Adolf Schaer-Ris, Heinrich
von Kleist in Bern und Thun. Zu Kleists 150. Geburtstag, in: Der Bund (Bern),
17. 10. 1927, Nr. 449, und 18. 10. 1927, Nr. 451; darin:
Nr. 451
Kleists Haus im Thuner See
In den Aesten der beiden gewaltigen Linden vor dem Kleisthäuschen
rauschen wohl hundert Jahre. An die Mauer plätschert das Aarewasser, gestern, heute und
morgen. Von der Terrasse an der Südseite hat man jetzt, wie damals, die überwältigende
Rundsicht. Wir treten durch das niedere Türchen. Ein schmaler Gang und bloß zwei Meter
hoch. Eine Küche, drei auf drei Meter im Geviert. Ein schmaler Wohnraum im Westflügel,
fünf auf drei Meter. Ebenso im ersten Stock. Hier sind einige Wappen in die winzigen
Fensterscheiben gekritzt, von einem orthographisch unsichern Handwerker auf Bestellung
wohl, und alle tragen dieselbe Jahreszahl 1760. Darunter die Namen: Her fridrich Rudolf
bruger, burger der stat bern / her bernhart vicentz stürler / frau susana
deloria (sollte heißen Delosea) eine gebohrne trog-wernher predicant deloreas (Delosea)
zu thun frau wiettib / frau vrsula von Erlach eine gebohrne von watenwil hofmeisterin
zu kinigfelden. Hier scheint die Umgebung ziemlich unverändert zu sein. Und überall die
zwei Meter oder etwas darüber. Man beugt unwillkürlich das Haupt und wird nachdenklich.
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