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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Eva Rothe, Die Bildnisse Heinrich von Kleists. Mit neuen Dokumenten zu Kleists Kriegsgefangenschaft, in: JDSG 5 (1961), 136-186; darin: 136f.

Die Kleist-Miniatur und ihre Kopie


I. Die Miniatur und ihre Nachbildungen

Wir besaßen als historisch nachweisbares Kleist-Bild bisher nur die bekannte Miniatur aus dem Jahre 1801, die den dreiundzwanzigjährigen Kleist darstellt. Kleists Verwandte und Freunde versicherten Eduard von Bülow, Kleists erstem Biographen, daß die Miniatur das einzige vorhandene und wohlgetroffene Porträt des Dichters sei. Im Laufe der letzten Jahrzehnte tauchten zwar noch weitere Kleist-Bilder mit dem Anspruch auf Echtheit auf, doch konnte diese in keinem Fall sicher nachgewiesen werden. Aber auch die Miniatur gibt uns Rätsel auf: Es gibt von ihr nämlich zwei Exemplare, was erst entdeckt wurde, als 1927 auf der Kleist-Gedächtnisausstellung der Preußischen Staatsbibliothek zwei fast gleiche Miniaturen zum erstenmal zusammentrafen. Das eine Exemplar war seit langem bekannt und von der Familie von Kleist schon 1923 dem Kleist-Museum in Frankfurt a. O. als Leihgabe überlassen worden; das zweite, bislang unbekannte, ging nach der Ausstellung an die Familie zurück und ist in den Wirren des Krieges glücklicherweise vor dem Untergange gerettet worden. Nach dem Urteil von Kunstsachverständigen wurde letzteres als das künstlerisch höher zu bewertende Porträt und infolgedessen als Original anerkannt, während die in Frankfurt aufbewahrte Miniatur als Kopie des Originals angesehen wurde. Das Jahrbuch der Kleist-Gesellschaft 1929 und 1930 brachte beide Miniaturen nebeneinander in farbiger Reproduktion, allerdings ohne Kommentar. Sofort fallen bei einem Vergleich beider Bildnisse Unterschiede auf: bei der Frankfurter Miniatur (Abb. 2) ist das Haar rötlich getönt, das Gesicht gröber, fast ein wenig bäurisch, im Gegensatz zu den lebendigen und feinen Zügen ihres Gegenstückes. Dieses (Abb. 1) zeigt einen jungen Mann mit rundem Schädel, tief in die Stirn fallenden dunklen Haaren und leicht vorstehenden Backenknochen. Die vollen Lippen deuten ein Lächeln an, von dem Kleist selber aussagt, daß „etwas Spöttisches“ darin liege. Dunkelblaue Augen unter scharfgezeichneten regelmäßigen Brauen <137:> blicken den Betrachter sprechend, fast ein wenig stechend an. Etwas eigentümlich Jungenhaftes, Unfertiges liegt in dem sonst geistvollen Antlitz, das vielleicht durch die Haltung oder die Frisur bedingt ist.
Ein auf historische Daten gegründeter Nachweis, daß in der 1927 aufgetauchten Miniatur tatsächlich dasjenige Bildnis vorliegt, von dem Kleist selbst in seinen Briefen gesprochen hat, ist bisher nicht geführt worden. Die Geschichte der Miniatur ist zwar weitgehend bekannt, doch nun muß alles überprüft werden, da die Forschung von der Existenz zweier Miniaturen nichts gewußt und folglich beide Bildnisse miteinander verwechselt hat.
Die nächstliegende Stelle, die Auskunft über die Geschichte der beiden Miniaturen geben kann, ist naturgemäß die Familie von Kleist. Beide Miniaturen stammen ja aus dem Besitz der in Stolp ansässig gewesenen Nachkommen von Kleists Bruder Leopold. Das „Original“ besaß der von Ewald von Kleist, Leopolds jüngstem Sohne, abstammende Familienzweig; die „Kopie“ besaßen die Nachkommen von Maximilian von Kleist, Leopolds zweitjüngstem Sohne. Auf Anfragen behaupteten die Angehörigen beider Familien, daß ihre Miniatur das Original sei und von Kleists Schwester Ulrike stamme. Die Familienüberlieferung führte also zu keinem Ergebnis.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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