Robert Mühlher,
Kleists und Adam Müllers Freundschaftkrise.
Zwei ungedruckte Briefe Adam Müllers zur Geschichte der
Zeitschrift Phöbus, in: Euphorion 45 (1950),
450-470; darin: 452-454
Adam Müller an Otto August Rühle v. Lilienstern
und Ernst v. Pfuel, Dresden, 5. 4. 1809
- [Mittwoch,]
5t Apr[il] [180]9
- Meine
Herren!
Ich habe, wie Sie wissen von Anfang an die Entreprise
des Phöbus, die gesammten dabey vorgefallenen Geschäfte
mit allen daraus erfolgten Unannehmlichkeiten getragen.
Seit dem Juny des verflossenen Jahres nach welchem Termin
auch nicht die geringste Einnahme mehr erfolgt ist habe
ich die gesammten Schulden des Phöbus theils aus meinen
eigenen ärmlichen Mitteln gezahlt, theils das desfalsige
Mahnen und die oftmalige Bedrohung mit Wechselarrest geduldig,
ohne irgend einem von Ihnen deshalb zur Last zu fallen,
getragen. Niemand hat sich um das unglückliche Geschäft
bekümmert, thätig bekümmert als ich. Der Phöbus hätte
mit Ende May aufgehört, der Verlust wäre noch größer gewesen
und Schande obenein erfolgt niemand hat mir
beygestanden, ich habe in der ungünstigsten Lage der Dinge
einen Verleger geschaft wodurch wenigstens 130 Thaler
und die Ehre der Entreprise gerettet worden ist.
Der Papiermüller Reinhardt hatte einen Contract mit uns
abgeschlossen, vermöge dessen wir in allen Wegen zu großem
Schadensersatz angehalten werden konnten: ich habe diesen
Contract aufgehoben und so operirt daß kein weiterer Verlust
erfolgt ist. Niemand hat mir beigestanden: ich habe also
wie ganz natürlich, da nichts mehr zu gewinnen war, und
ich noch überdies in der Mitte März d. J. schon 212 Thaler
baar vorgeschossen und noch gegen 230 Thaler Schulden
zu tragen hatte, auch allein operirt.
Da nun dies Alleinoperiren in diesem Augenblik vom Herrn
von Kleist nicht bloß getadelt wird, sondern derselbige
sich auch unprovozirt, durch nichts gereizt, als
durch meine allzugroße Liebe und Aufopferung
für ihn, so weit vergißt mir Dinge ins Gesicht zu sagen,
die ich mit nichts anders, als den Waffen beantworten
kann, die mir gottlob eben so gut als meinem großmüthigen
Freund zu Gebote stehn so muß ich für mein
häusliches Interesse und für die Deckung der Schulden
sorgen, die ich selbst auf meine Person gemacht habe,
um die Schulden des Phöbus zu bezahlen und meinen Freunden
nicht beschwerlich zu fallen.
Gott
ist mein Zeuge: daß ich, der ich die ganze Entreprise
mit der Erklärung anfing, auch nicht einen Pfennig dazu
hergeben zu können wie Sie sich alle erinnern <453:>
werden, dennoch nie ein Wort von Entschädigung der 212 Thaler
und von Uebernahme der restirenden Schulden von 230 Thalern
verlohren haben würde, daß ich sogar in meiner Uneigennützigkeit
so weit ging Herrn von Kleist für den etwanigen
Verlust von höchstens 50 Thaler, der durch
den früheren Verkauf des Contracts an Walther entstanden,
an den Herr von Kleist nicht die geringsten Ansprüche
haben konnte, weil noch 230 Thaler Schulden da waren,
und ich für die frühere stillschweigende Zahlung der Schulden
diesen kleinen Ersatz wohl verdiente, aus Vorschüßen auf
den zweiten Jahrgang des Phöbus entschädigen zu wollen,
aus meinem Antheil entschädigen zu wollen. Ein
in jeder Rüksicht so reines Betragen ist indeß
nicht verstanden worden. Der Dank dafür sind Schimpfwörter
der gemeinsten Art.
Ich
bin genöthigt meine Sachen zu arrangiren, und habe keine
Zeit zu weiteren Uneigennützigkeiten, da höhere und edlere
Dinge auf meine Vorsorge, so weit sie noch möglich ist,
Anspruch haben.
Ihnen,
meine Herren, sage ich also Dank, für Ihre Geld-Beiträge
zum Phöbus, die nicht durch meine Schuld verlohren gegangen
sind, noch mehr aber für Ihre stillschweigende Anerkennung
dessen was ich stillschweigend und mit Liebe für Sie gethan
habe. Indeß ist es nicht meine Schuld, daß ich, von Umständen
gedrängt, die nur Herrn von Kleist zuzuschreiben sind,
jetzt an Ihren rechtlichen Sinn appellire, und
Ihnen folgende Fragen vorlege
1.
Wollen Sie, im Fall daß das zwischen mir und Herrn von
Kleist zu werfende Loos gegen mich entscheidet,
was möglich ist, die 230 Thaler rükständiger Schulden
übernehmen, und an meinen Nachlaß die bereits vorgeschossenen
212 Thaler (wie aus den Rechnungen hervorgeht) zur
Deckung meiner übrigen persönlichen Schulden bezahlen?
und
2.
Wollen Sie, im Fall daß ich der Ueberlebende bin, mir
statt aller Entschädigung, die Fortsetzung des Phöbus
und alle damit verknüpften Vortheile allein übertragen?
Ihre
beiderseitige schriftliche Antwort gehört zum Arrangement
meiner Geschäfte wesentlich und ich muß selbige mir noch
heute erbitten, weil ich meine Maaßregeln danach nehmen
muß. Es ist unter meiner Würde nach dem gestrigen Vorfall
auch nur ein Wort weiter an Herrn von Kleist zu addressiren;
es ist übrigens auch nichts natürlicher, als daß Sie beide
diese Sache mit Herrn von Kleist abmachen, und daß Sie
ihn zur Uebernahme der Verpflichtungen anhalten, von welchen
ich, erst aufs äußerste getrieben, zu reden unternommen.
Wollen
Sie beide mir zu meiner weltlichen Rechtfertigung vor
Menschen, die unser Verhältniß nicht begreifen können
und deren Urtheil durch die fixen Begriffe des Herrn von
Kleist gemißleitet werden könnten, noch Ihre Zufriedenheit
und Ihren Dank mit meiner Geschäftsführung, bey der seit
dem Monate Juny verflossenen Jahres auch nicht
eine ruhige Stunde gewesen, noch schriftlich ausdrücken,
so handeln Sie, wie ich es von Ihrer Gerechtigkeit und
Freundschaft erwarte. Indeß bin ich auch ohne das schon
über die Maaße beruhigt.
Es
giebt, wie Sie sehen, wunderbare Lagen: ich muß, ich werde
gezwungen um eine Genugthuung zu bitten, da wo ich Entschädigung,
Dank und Anerkennung meines <454:> wohlwollenden
Herzens fordern könnte. Ich wünsche Ihnen bey künftiger
Fortsetzung des Phöbus, oder bey irgend einer künftigen,
gemeinschaftlichen Entreprise vor der Sie Gott übrigens
bewahren möge, einen edelmüthigeren, thätigeren, um Ihr
Interesse besorgteren Verwalter, als mich.
Adam Müller.
H: österreichisches Staatsarchiv
(Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Z. 3225/1938) (1950)
Anm. Mühlher: In der Mitte des oberen Briefrandes
findet sich folgende handschriftliche Eintragung des Briefempfängers:
An mich R u. Pfuel. Das R hinter mich ist
zweifellos eine Abkürzung für Rühle, da der Brief aus
dem Nachlaß einer Enkelin Rühles, Frau Baronin Alexandra
v. Schleinitz, stammt. Vgl. Aus den Papieren
der Familie v. Schleinitz, Berlin 1905, darin:
Rühle v. Lilienstern. Eine biographische Skizze entworfen
auf Grund seines Briefwechsels mit den bedeutendsten Männern
während der Epoche 1800 bis 1847. Der Name Kleists ist
durchgestrichen. Weiter unten spricht Müller von zwei
Briefempfängern.
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