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Robert Mühlher, Kleists und Adam Müllers Freundschaftkrise. Zwei ungedruckte Briefe Adam Müllers zur Geschichte der Zeitschrift „Phöbus“, in: Euphorion 45 (1950), 450-470; darin: 450f.

Adam Müller an Friedrich Carl Ferdinand v. Müffling, Dresden, 29. 3. 1808

Dresden, 29sten März 1808.
Ich wende mich an Sie, mein Hochzuverehrender Freund, in einer Angelegenheit bey der ich niemand von meinen hiesigen Freunden zu meinem Vertrauten gemacht habe und zu welcher ich Ihres Rathes bedarf. Wenn Sie den geringen Antheil, den ich mir etwa bey Ihnen erworben haben mag, zu meinem Fürsprecher machen wollen, so erfreue ich mich gewiß bald einer Antwort auf dieses Schreiben. Meine Welterfahrung würde mich auf den Rath beschränken, den ich mir selbst mit eignem Verstande geben kann, wenn ich Sie nicht persönlich kennte, und Sie mir nicht Zutrauen und Hochachtung durch ein und dieselbe Handlungsweise des Geistes wie des Gemüts eingeflößt hätten.
Unsere gemeinschaftlichen Buchhandlungsprojecte sind durch die Sprödigkeit der Regierung, vielleicht auch durch den Einfluß des Böttiger und ähnlicher Leute vereitlet worden. In der Redaction des Phöbus, bey der ich überhaupt nur untergeordnet und abhängig wirke, muß eine große Veränderung vorgenommen werden, wenn derselbige, trotz der guten Absicht ohne bedeutenden Verlust getragen werden soll und deshalb hoffe ich Kleist zu alleiniger Übernahme der Redaction zu überreden. – Meine Umstände nun machen es mir zur Pflicht, für die Zukunft zu sorgen, und an ein kleines, aber sichereres Etablissement zu denken, als mir die Gunst des Dresdener Publikums und eine Parthey geistreicher und wohldenkender Freunde gewähren kann. Den Aussichten, die sich mir mit Hülfe aller Connectionen in Wien eröfnen, würde ich ungern folgen, da mir die Freyheit des Denkens und Dichtens erstes Lebensbedürfniß ist. Deshalb frage ich Sie, der Sie die Umstände kennen, ob für mich vielleicht die Hofnung zu einer Professur in Jena da wäre. In wiefern ich Sie durch wissenschaftliche Arbeiten verdienen mag, sind Sie darüber der erste Richter den ich mir wählen würde, der einsichtvollste und der unbefangenste, der eine der seinigen auch hier und da entgegengesetzte Meinung grade darum lieben kann, weil sie die entgegengesetzte ist – kurz, darüber darf ich schweigen. Mein etwaiges kritisches Talent würde ich der Literaturzeitung bestimmen, meine Anlagen zum lebendigen Vortrag dem Lehr- <451:> stuhl der Philosophie, der Geschichte und der Staatswissenschaften, und – mein Wettergefühl den meteorologischen Anstalten die des Herzogs Durchlaucht mit so großmüthigem Interesse an der Wissenschaft angeordnet haben.
Sie werden mich freysprechen, mein Hochzuverehrender Freund, von dem sanguinischen Eifer, womit man in der Jugend solche Projecte zu betreiben pflegt. Ich weiß vollkommen was mir Jena gewähren und was ich dort entbehren würde; ich weiß daß dies überhaupt keine Zeit zu glänzenden Hofnungen ist, und verlange von einer Station, die ich wünschen soll überhaupt, vielmehr die Sicherheit als die unmittelbaren bedeutenden Vortheile.
Und so möge denn auch die mögliche Unausführbarkeit dieses Projects, Sie, mein werthgeschätzter Freund, durchaus auch nicht in die leiseste freundschaftliche Verlegenheit versetzen. Ich habe Sie nur fragen wollen, was Sie, der Unterrichtetste, von der Sache denken, und ob ich weitere Schritte thun, oder ob ich vielmehr in den sauern Apfel beißen soll und, nach manchem mit persönlicher Keckheit durchgeführten Streit, auch jetzt bittend an Johannes Müller wenden – und auf die ehemalige Freundschaft berufen soll? – Zu gelehrten Stellen freilich läßt man sich lieber rufen, aber soll einmal sollicitiert werden, so wende ich mich lieber an den Herzog, aus dessen Händen ich den günstigen wie den abschlägigen Bescheid mit gleicher Ehre und mit gleicher Empfindung der Verehrung empfangen kann.
Von Göthen, wie er auch über den Phöbus denken mag, habe ich persönlich keine Ungunst zu besorgen; meinen ehemaligen jugendlichen Ausfall auf sein Heidenthum wird er mir ja wohl längst vergeben haben.
Verstatten es Ihnen wichtigere Geschäfte, meine heutige Anfrage baldigst mit einer flüchtigen Zeile zu beantworten, so erleichtern Sie mir die weiteren Schritte, die ich zu dieser liebsten, wie zu anderweiter weniger erwünschter Beförderung zu machen, durch die Umstände genöthigt bin. Übrigens verstatten Sie mir gewiß noch die Bitte, daß meine ganze Absicht vorläufig, sowohl im günstigen als im ungünstigen Falle, unter uns d. h. besonders Rühl und meinen hiesigen Freunden vorenthalten bleibe, die für Verrath an der Freundschaft halten möchten, wozu mich nothwendige Rücksicht auf die Zukunft und auf die Umstände zwingt. Sie legen einen Werth auf mein Hierseyn, der mich rührt und mir schmeichelt, aber auf die ernsteren Calcüls eines durch mancherley Verpflichtungen gebundenen Lebens wohl keinen Einfluß haben darf. Dresden – das fühle ich nach mancherley guten und schlimmen Erfahrungen – ist, wie ich auch an den Ort gebunden seyn möge, wohl ein Element für solche, wie Böttiger, aber nicht für mich.
Ich bitte Sie nochmals um baldige Antwort, noch dringender aber um die Fortdauer Ihres Wohlwollens das mir schmeichelt und mich erhebt. Möchten Sie die möglichen Unschicklichkeiten dieses Briefes entschuldigen, zuförderst mit dem Zutrauen, das Sie mir eingeflößt, und dann auch damit, daß es der erste Schritt ist, den ich zu irgend einer Anstellung in meinem Leben thue. Ich bin in unbeschränkter Hochachtung der Ihrige
Adam H Müller.


H: PSB (1950)

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Letzte Aktualisierung 23-Jan-2003
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