Georg
Minde-Pouet, Kleists letzte Stunden. Teil 1: Das
Akten-Material (Berlin: Weidmann 1925), 37-39
Vernehmungsprotokoll Johann Friedrich Riebisch, Stimmings bei Potsdam,
2. 12. 1811
Verhandelt auf dem Stimmingschen
Kruge bey Potsdam
den 2ten Decber 1811.
Zur Vervollständigung der Untersuchung wegen
der am 21ten November c. auf der Heinersdorffschen Heide
vorgefundenen Leichname des ehemal. Lieuts. Heinrich v. Kleist und der Adolphine
Vogel geb. Kaeber hatten sich Unterschriebene heute anhero begeben, und
nachdem die Hausgenossin des p. Stimming nochmals im Allgem. aufgefordert worden,
dasjenige, was ihnen von dem Vorfall bekannt, gewissenhaft anzuzeigen; so
überreichte die verehl. Stimming ein großes Pistol mit der Kolbe etwa
1¼ Fuß lang, und den Lauf, nach der Aufschrift mit Lazarius Comminazzo
bezeichnet und versichert, daß dies eines von denjenigen Pistolen wäre, welche
abgeschossen bey den beiden Leichnamen liegend vorgefunden worden, und welche sie durch
die verehl. Riebisch in ihre Wohnung habe tragen lassen. Die beiden andern, so
der Krieges Rath Peguilhen mit sich genommen seyn nur kleine Terzerols
gewesen, und sie habe, weil sie erste vorlegt, vergessen dem Richter im letzten Termine
diese auszuhändigen. Dies Pistol ist als corpus delicti zu den Acten
genommen worden.
Hiernächst wurde der
Tagelöhner Riebisch sistirt, und deponirt nachdem ihm bekannt gemacht
worden daß er seine Aussage so einzurichten habe, wie er dieselbe beschwören könne, wie
folgt, dahin vernommen.
Ich heiße Johann
Friedrich Riebisch bin 42 Jahr alt, luth. Religion und Tagelöhner.
Z. S. So
habe ich die beid. Fremden, welche sich am 21. Novbr. c. hier
erschossen, gleich nach ihrer Ankunft am 21. Novbr. hierselbst gesehen, weil
ich auf Befehl des Wirths das, von ihnen bezogene Zimmer heitzen mußte. Hiernächst habe
ich weiter von ihnen nichts gehört, als am 21ten Novbr. Nachmittags
in der 4ten Stunde wo sie mir auf der Chaussée begegneten. Ich
kam eben mit einer Karre Mist, und ruhte mich damit im Sommer Wege aus, als der fremde
Herr und die Dame mir eben daselbst entgegen kamen. Der erstere forderte mich auf, die
Karre aus dem Wege zu ziehen, damit die Dame passiren könnte, und versprach und gab mir
dafür 1 gr. Ich hatte kaum die Brücke passirt, als meine Ehefrau kam, und mir
sagte:
stelle dir doch die Tollheit
vor, die beiden Menschen wollen dort oben Caffee trinken! <38:>
Sie trug nähml. den Kaffee
bey sich. Ich erwiederte darauf, daß ihr die Leute wohl dafür bezahlen würden, und
karrte meine Wege. Kurze Zeit darauf rief mich meine Frau, und forderte mich auf, ihr
Tische und Stühle nach dem See tragen zu helfen, welche die beiden Fremden verlangt
hätten. Ich nahm den Tisch so wie meine Frau die beiden Stühle und trug solche auf den,
am Wannsee befindl. Hügel, wo wir beyde Fremde stehend fanden. Sie hatten den Kaffe schon
bis auf eine Tasse ausgetrunken welche die Mannsperson sich so eben in meiner Gegenwart
einschenkte, und einen, in einer Flasche befindl. Rest Rumm, hinzugoß. Diese genoß er in
meiner Gegenwart u. sagte zu mir:
Alter Vater! sage er doch dem
Herrn daß er mir diesen Buddel (es war eine halbe Quart Flasche) noch halb voll Rumm
herschicke!
Die Dame bemerkte dagegen:
Liebes Kind, willst du heute
noch mehr Rumm trincken, du hast ja schon genug getruncken
und der Herr erwiederte:
Nun, liebes Kind, wenn du
nicht willst, will ich auch nicht, dann lasse Er es nur seyn, alter Vater, und bringe Er
nichts her.
Meiner Ehefrau gaben sie die Milch, welche sie erhalten, aber nicht genossen hatten, zum
Austrincken, und da diese sich etwas hierbey beschmutzt, äußerte die Dame unter vielen
Lachen:
Sehe Sie einmahl, was sie
sich für einen Milchbart gemacht hat. Hiernächst verlangten beide, daß
meine Ehefrau ein Bleystift herauf bringen sollte, und indem wir uns entfernten, und nach
Hause gingen, sahen wir beide Fremde Hand in Hand den Berg hinunter nach dem See zu
springen, schäkernd, und sich jagend, als wenn sie Zeck spielten. Ueberhaupt fährt Comp.
fort, habe ich selten 2 Leute gesehen, die so freundlich zusammen gewesen wären, wie
diese auf dem Berge. Sie nannten sich beständig Kindchen, Liebes Kindchen und waren
außerordentlich vergnügt. Ich war wieder nach Hause gegangen, und kaum eine halbe Stunde
dort, als meine Frau gestürzt kam, und mir sagte, daß die beiden Fremden dort auf dem
Berge lägen. Ich wollte dies nicht glauben, begab mich aber doch sogleich auf dem Weg
dahin, begleitet von meiner Ehefrau von der verehl. Stimming, ihrem Dienst
Mädchen und Tochter, welche von dem Vorfall durch meine Frau benachrichtigt worden waren.
<39:> Ich kam zuerst auf den Berg, und sah die beiden Fremden
in der dort befindl. Grube sitzen, die Dame hinten über, auf den Rücken liegend, den
Mannsperson aber mit dem Unter-Körper etwas eingesuncken, und mit dem Kopf neben der
rechten Lende der Dame auf dem Wall der Grube. Seine Hände lagen auf seinen Knien, und
ein kleines Pistol zu seinen Füßen, in der Grube. Ein großes Pistol lag auf dem Rand
der Grube, zu seiner lincken Hand, und ein drittes kleines Pistol auf dem Tisch ungefähr
8 Schritt von den Leichnamen. Dem Comp. ist das, von der verehl. Stimming
heute übergebene Pistol vorgezeigt worden, und erklärte er hierauf:
Ob dieß gegenwärtige Pistol
eben dasselbe sey, welches damahls am Rande der Grube lag, kann ich zwar nicht mit
Gewißheit sagen, jedoch erinnere ich mich bestimmt, daß jenes eben dieselbe Form und
Größe hatte.
Noch muß ich bemerken, daß die Hände der Dame über ihrem Leib ausgestreckt, hart an
einander lagen. Ich richtete die Mannsperson auf, damit dieselbe in dieser Stellung nicht
steif werden, und dadurch die Grablegung erschweren mögte, durchsuchte in Gegenwart der Madame
Stimming, und auf deren Befehl dessen Taschen, und fand nichts, als einen Schlüssel
und Drücker, welche ich der p. Stimming aushändigte. Das Pistol nahm ich
ebenfalls aus der Grube, und hat dieses sowohl, als die beiden andern meine Ehefrau auf
Verlangen der Mad. Stimming hierher getragen, das dem Tisch annoch
befindlich gewesene Pistol war, nach der Meynung eines, hinzu gekommenen Garde du
Corps, geladen, weshalb denn auch von diesem der Stein von der Batterie genommen
worden.
Früherhin habe ich bey den
beiden Fremden weder die Pistolen, noch anderes tödl. Gewehr bemerkt, mir ist auch sonst
nichts von ihnen bekannt, u. bin ich bereit meine Aussage zu beschwören.
prael.rath.etsubs.
Signa + + + des p. Riebisch
in fid.
Loeper
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