Georg
Minde-Pouet, Kleists letzte Stunden. Teil 1: Das
Akten-Material (Berlin: Weidmann 1925), 34f.
Vernehmungsprotokoll Dorothe Luise Riebisch, Stimmings bei Potsdam,
22. 11. 1811
Hiernächst wurde die Ehefrau des Tagelöhner Riebisch sistirt, und ben. adm.
dahin vernommen:
Ich heiße Dorothe Louise
geborne Haddicke, bin ungefähr 50 Jahr alt luth. Religion, u. an den
Tagelöhner Riebisch verheyrathet. Ich diene bei dem Gastw. Stimming
für Tagelohn, und bin täglich hier in dessen Gasthofe. Gestern Nachmittag gegen
4 Uhr kam das Hausmädchen hier aus dem Hause nach meiner gegenüber belegene
Wohnung, und verlangte, daß ich für eine fremde Herrschaft den Caffee jenseits des
Wassers tragen sollte. Ich wunderte mich hierüber, trug indeß den Caffe nach dem, an den
Wansee belegenen kleinen Hügel, wo ich einen fremden Herrn u. eine Dame schon in der
Entfernung stehen sah, u. sezte solchen vor ihnen auf die Erde. Die Dame äusserte
hierauf, wie sie gern ein Tischen u. ein Paar Stühle haben möchten, worauf ich
erwiederte, daß ich solchen ehe herbei bringen könnte, der Caffee kalt werden würde.
Die Dame schwieg, ich that aber, wie mir befohlen, holte meinen Ehemann und trug mit
diesem einen Tisch und die beiden Stühle auf den Hügel. Die Dame sezte sich sofort auf
einen Stuhl, und trank die lezte Tasse Caffe in meiner Gegenwart, eben so auch der fremde
Mannsperson. Hierauf fragte er mich, ob ich ihm nicht ein Stückchen Bleystift verschaffen
könnte, u. ich ging, um solches zu holen, nach dem Gasthofe zurück, nahm auch
gleich das Caffee Zeug bis auf eine ober Tasse mit. Als ich mit dem
verlangten Bleistift zurück kam, kamen mir beide Personen unten am Hügel schon entgegen,
sie reichte mir den Tassen Kopf, worin Geld befindl. war, und sagte:
Mutterchen, da ist der Tassen
Kopf, den nehme sie mit, u. wasche sie ihn aus, und bringe ihn wiederum.
Das Geld sollte ich an die
Herrschaft abgeben.
Ich ging nun zurück, und
hatte eben wieder die Chaussee betreten, als ich einen Schuß fallen hörte. Ich
glaubte, daß die Fremden vielleicht mit Schießgewehr, so ich indeß vorher gar nicht
bemerkt, Scherz treiben, und ging daher, ohne mich umzusehen, meines Weges. Nachdem ich
ungefähr 50 Schritt gegangen war, hörte ich einen zweiten Schuß, wobey ich mir
jedoch eben so wenig etwas böses dachte. Als ich die Tasse hier im Gasthofe gereinigt
hatte, ging ich zurück, und wollte eben den kleinen Hügel hinaufgehen, als ich die Dame
auf demselben leichen blaß auf den <35:> Rücken liegend erblickte. Auf das
heftigste erschreckt, rannte ich sogleich, ohne hinauf zu gehen, oder weiter hinzublicken,
nach meinem Hause, sagte nun was ich gesehen, den im Gasthofe zum Fenster herausblickenden
Mädchen, und erzälte den Vorfall meinem Ehemann. Dieser ging hierauf mit mir, mit der
verehl. Stimming, so wie deren Tochter und Mädchen, nach dem Ort hin, wo sich
die Fremden befunden hatten, und sahe ich solche in einer kleinen Grube gegeneinander
über sitzend, die Dame aber rückwärts über gefallen, und mit über den Leib
gefalteten Händen. Die Mannsperson saß in einer fast knienden Stellung vor ihr, und
hatte den Kopf zur lincken Seite auf eine Pistole gestüzt, deren Mündung gegen den Mund
stand, und welche er in den Händen hielt. Mein Ehemann richtete den Leichnam der
Mannsperson in Gegenwart der Mad. Stimming auf, und legte ihn, wie den der
Dame auf den Rücken. Beide Personen gaben kein Zeichen des Lebens von sich; neben ihnen
lag ein Pistol, und auf dem Tische noch ein dergl. Die Pistolen mußte ich auf Befehl der Mad. Stimming
in die Schürze nehmen, und nach Hause tragen, nachdem von einer derselben ein zufällig
gegenwärtiger Garde du Corps den Stein herunter genommen, weil er solche für
geladen ausgab.
Weiter ist mir von dem
Hergang der Sache nichts bekannt, und versichere ich die Wahrheit gesagt zu haben.
Comparentin
genehmigte diese Verhandlung, nachdem ihr solche vorgelesen, und hat solche, da sie des
Schreibens unerfahren, unterkreuzt.
Zeichen der verehl.
+ + +
Riebisch
in fidem Mevius
Da bereits Mitternacht verflossen, und die übrigen Personen zu ihrer Vernehmung nicht sistirt
werden könnten, so ist die Verhandlung hiermit geschlossen.
a. u.s.
FelgentreuMevius
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