Georg
Minde-Pouet, Kleists letzte Stunden. Teil 1: Das
Akten-Material (Berlin: Weidmann 1925), 30-33
Vernehmungsprotokoll Friederike Stimming, Stimmings bei Potsdam,
22. 11. 1811
Hiernächst sistirte sich die verehl. Stimming und ließ sich ben.
adm. dahin vernehmen.
Ich heisse Friderique
geb. Stimming bin 23 Jahr alt, luth. Confession und an den Gastwirth Stimming
verheyrathet.
Z. S.
So kamen am Mittwoch den 20ten
huj. der Herr und die Dame hier an, welche sich gestern auf der Heide hier
schraeg über erschossen haben, und verlangte die Dame, nachdem sie in das Gastzimmer
geführt worden, zwey besondere Zimmer im zweiten Geschoß für sich und ihren Begleiter.
Ich führte sie hinauf und so bald die Dame oben an das Fenster getreten war, äusserte
sie ihr Vergnügen über die schöne Aussicht, und fragte mich, ob sie nicht über den
gegen über gelegenen kleinen Wansee nach dem jenseitigen Ufer gefahren werden könnte.
Ich erwiederte, daß dies nicht gut angehen würde, da kein Kahn in der Nähe zu haben
wäre, daß man aber recht gut zu Fusse eben dorthin kommen könnte.
Hierbei beruhigte sich die
Dame, und ich ging herunter. Sie verlangte indeß noch zwey Betten im Vorsaal für zwey
Fremden, die ihrer Angabe nach an demselben Tage oder vielleicht in der Nacht eintreffen
würden.
Ich habe beide Personen nicht
wieder gesehen, bis am Donnerstag Morgen, wo die Dame zwischen 3 u. 4 Uhr
herunter kam, und von dem Mädchen eine Portion Caffe verlangte. Dieselbe hatte am Abend
vorher beiden Fremden Tinte und Feder herauf bringen müssen, und nach der Behauptung des
Hausknechts, welcher die Nacht hindurch vor dem Hause gewacht, sind sie die ganze Nacht
hindurch bald in dem Zimmer auf und nieder gegangen, bald haben sie sich gesetzt.
Nachdem sie den Caffee am
Morgen erhalten, blieben sie in ihrem Zimmer bis 7 Uhr. Sodann kam die Dame herunter und
verlangte abermals eine Portion Caffe. Nachher kam bald der Herr,
bald die Dame herunter, bezahlten die Rechnung, und da ich mich erkundigte, ob sie nicht
zu Mittag essen wollten, verbaten sie sich solches, der Herr äußerte dabey ganz für
sich: auf den Abend wollten sie dafür desto besser speisen. Auf Befragen, ob sie eine
Tasse bouillon geniessen wollten, nahm die Dame solches an. Demnächst verlangten
sie einen Boten der einen Brief nach <31:> Berlin tragen könnte, und händigten
diesem einen solchen ein. Bald darauf kam abwechselnd bald der eine,
bald der andere herunter und erkundigten sich, was die Glocke sey? Gegen 1 Uhr
verlangte die Dame abermals Bouillon und erhielt solches. Hierauf kamen beide
herunter, erkundigten sich oft und wiederholentl., ob und wenn eher der Bote mit dem
Briefe wohl in Berlin seyn könnte, und scherzten im Hofe auf mancherley Art, so
Z. B. sprang die Mannsperson über die Bretter in der Kegelbahn, und forderte die
Dame zu ähnlichen Springen auf, welches sie aber ablehnte. Uebrigens schienen sie in
hoechst freundschaftl. Verhältnissen zu stehen, nannten sich manchmal Du, ein andermal
Sie, und die Mannsperson schien nach jeder Gelegenheit zu haschen, der Dame eine
Höflichkeit zu erzeigen.
Nach 3 Uhr verlangten beide
Caffe, und daß solcher ihnen auf den Hügel an der Wansee hingebracht werden sollte.
Ich wunderte mich hierüber,
schickte jedoch den Caffe durch die Ehefrau des Tagelöhner Riebisch hin. Von
dieser hatten beide annoch einen Tisch, und zwey Stühle verlangt, und auch diese schickte
mein Ehemann durch den Tagelöhner Riebisch und dessen Ehefrau hin. Indessen
sahen wir die Fremden hier vom Hause aus an der Wansee umherspringen, und mit Steinen in
das Wasser werfen. Als die Riebisch den Tisch und Stühle hingebracht, hat der
Fremde von der Riebisch ein Bleistift verlangt, und als ihm auch dies geschickt
worden, sind ihr beide entgegen gekommen, haben ihr einen Tassen Kopf mit dem Befehl
eingehändigt, das darin befindliche Geld für den Caffe an uns auszuhändigen, und die
Tasse gereinigt wieder zurückzubringen. Nachdem auch dies geschehen, und die Riebisch
den Tassen Kopf zurückbringen wollen, hat sie beide todt liegend gefunden, kam zurück,
hier vorbey gelaufen, und hat blos meinem Dienstmädchen zugerufen, daß beyde Fremde sich
erschossen hätten. Ich versuchte sogleich hierauf, nachdem mir das
Dienstmädchen davon Nachricht gegeben, in die Zimmer der Fremden zu gelangen, fand solche
zwar verschlossen, sprengte jedoch von einer Hinterseite eine Thür, vor welche die
Fremden eine Menge Stühle vorgesezt hatten, um dem Anschein nach ein schnelles Eindringen
in das Zimmer von dieser Seite her zu verhüten. Da ich in demselben ausser einem
versiegelten Kästchen und einem dito Felleisen gar nichts fand, begab ich mich
nebst meinem Dienst- <32:> mädchen und Tochter nach der Stelle, wo sich die
Unbekannten entleibt hatten, und traf dort zugleich mit dem Tagelöhner Riebisch
ein. Die Dame und der Herr saßen Fuß an Fuß in der auf dem Hügel befindl. kleinen
Grube, die Dame lag aber mit dem Oberleib rückwärts auf dem Boden, hatte die Hände
über den Leib gefalten, und gab durchaus kein Zeichen des Lebens von sich. Hart unter
der lincken Brust war aber im Kleide ein kleines Loch, dessen Rand anscheinend verbrannt
war, und an welchem sich Einiges wenige Blut befand. Der Herr saß ihr gegenüber, jedoch
so, als wenn er in die Knie gesuncken oder vor die Dame niedergekniet wäre. Sein Kopf und
Ober Körper war vorne über nach der lincken Seite überhängend, und der erstere schien
auf einer Pistole zu ruhen, die er noch in der Hand hielt. Neben ihm lag ein zweites
Pistol, und ein drittes lag auf dem Tische. Auch er gab kein Zeichen des Lebens mehr von
sich. Der Riebisch war der Meynung, daß man ihn in dieser Stellung nicht
belassen könnte, und legte den Ober Körper des Entleibten ebenso rückwärts über, wie
den der Dame. Die Pistolen nahm ich an mich, und ließ solche durch die Riebisch
in der Schürze nach Hause tragen. Nach der Behauptung eines zufällig hierbei
gegenwärtigen Garde du Corps war die eine noch geladen, weshalb dieser den Stein
herunter nahm. Zugleich ließ ich den Riebisch nach dem Bleistift und den
Schlüsseln suchen, er faßte in die Tasche des entleibten Herrn, fand jedoch nichts, als
den mir zugehörigen Stubenschlüssel, und einen dergleichen Drücker.
Wir stellen nun zwey Wächter
bei den Leichen, und befahlen diesen dafür zu sorgen, daß sie nicht angerührt oder
beraubt würden.
Um 7 Uhr Abends trafen
der Rendant Vogel und der Krieges Rath Peguilhen hier ein, die, nachdem
ihnen die Personen der Entleibten bezeichnet worden, die Dame für die Ehegenossin des
erstern, und den Herrn für einen Lieutenant v. Kleist ausgaben, als welche
sie auch heute früh durch den p. Peguilhen recognoscirt worden.
Ich
habe so wenig als irgend einer meiner Leute geahndet, daß die beiden Personen einen
bösen Vorsatz hätten. Sie schienen mir vielmehr beständig froh, u. guter Laune,
und nichts weniger als den Vorsatz zu haben, sich zu tödten.
An spirituösen
Geträncken haben beide zwey oder 3 Bouteillen Wein, <33:> die sie sich
mitgebracht, imgleichen ein kleines Fläschen Rum genossen, überdies aber noch bei uns
für 8 gr. Rum gekauft, und genossen.
Von der Veranlassung zu ihrer
Entleibung ist mir nichts bekannt, und meine Aussage der Wahrheit gemäß.
- prael. rath. et subs.
Stimming
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