Georg Minde-Pouet,
Kleists letzte Stunden. Teil 1: Das
Akten-Material (Berlin: Weidmann 1925), 20-22
Henriette Vogel und Heinrich v. Kleist an Ernst
Friedrich Peguilhen, Stimmings bei Potsdam, 21. 11. 1811
- A.
- Mein sehr werther
Freund! Ihrer Freundschaft, die Sie für mich bis dahin
immer so treu bewiesen, ist es vorbehalten, eine wunderbare
Probe zu bestehen, denn wir beide, nehmlich der bekannte
Kleist, und ich, befinden uns bey Stimmings
auf dem Wege nach Potsdam, in einem sehr unbeholfenen
Zustande, indem wir erschossen da liegen, und nun
der Güte eines wohlwollenden Freundes entgegen sehen,
um unsre gebrechliche Hülle, der sicheren Burg der Erde
zu übergeben.
Suchen
Sie also, liebster Peguilhen, diesen Abend hier
einzutreffen, und alles so zu veranstalten, daß mein guter
Vogel möglichst wenig dadurch erschreckt wird.
Diesen Abend oder Nacht wollte Louis seinen Wagen
nach Potsdam um mich von dort, wo ich vorgab
hinzureisen, abholen zu lassen, dies mögte ich Ihnen zur
Nachricht sagen, damit Sie die besten Maasregeln danach
treffen können. Grüßen Sie Ihre von mir herzlich geliebte
Frau und Tochter viel tausendmal, und seyn Sie theurer
Freund ueberzeugt, daß Ihre und Ihre angehörigen Liebe
und Freundschaft mir noch im letzten Augenblick meines
Lebens die größte Freude macht.
- Ihre A. Vogel
- Nachschrift
von der Hand der Madame Vogel
- Ein kleines
versiegeltes schwarzes ledernes Felleisen, und einen versiegelten
Kasten, worin noch Nachrichten für Vogel, Briefe,
Geld und Kleidungsstücke, auch Bücher vorhanden, werden
Sie bei Stimmings finden. Für die darinn
befindl. 10 r. Courant wünschte ich eine recht
schöne blaßgrüne Tasse, inwendig vergoldet, mit
einer silbernen Arabeske auf weißen Grunde zum
Rand und am Ober Kopf im weißen Felde mein Vornahme, die
Facon wie sie jezt am modernsten ist. Wenn Sie sich diese
Commission halber am Buchhalter Mewes auf der
Porcellainfabrik wendeten, mit dem Bedeuten,
diese Tasse am Weihnachts Heiligen Abend Louis
eingepackt zuzuschicken, doch würden Sie, mein lieber
Freund mit der Bestellung eilen müssen, weil sie sonst
nicht fertig werden mögte. Leben Sie wohl und glücklich.
Einen kleinen Schlüssel werden Sie noch eingesiegelt im
Kasten finden, er gehört zum Vorhenge- <21:> schloß
des einen Koffers zu Hause bey Vogel,
worin noch mehrere Briefe und andre Sachen zum Besorgen
liegen.
- Nun folgt
von der Hand des Herrn v. Kleist
- Ich kann
wohl Ihre Freundschaft auch, mein liebster Peguilhen,
für einige kleine Gefälligkeiten in Anspruch nehmen. Ich
habe nehmlich vergessen, meinen Barbier für den laufenden
Monath zu bezalen, und bitte ihm 1 r. a 1/3 C.
zu geben, den Sie eingewickelt in dem Kasten der Mad. Vogel
finden werden. Die Vogeln sagt mir eben, daß
Sie den Kasten aufbrechen, und alle Commissionen
die sich darin befinden, besorgen mögten: damit Vogel
nicht gleich damit behelligt werde. Endlich
bitte ich noch, das ganze kleine schwarz lederne Felleisen,
das mir gehört, mit Ausnahme der Sachen, die etwa zu meiner
Bestattung gebraucht werden, meinem Wirth dem Quartier
Mstr: Mueller, Mauerstr. No 53.
als einen kleinen Danck für seine gute Aufname und Bewirthung
zu schenken. Leben Sie recht wohl mein liebster
Peguilhen; meinen Abschiedsgruß und Empfehlung
an Ihre vortrefliche Frau und Tochter.
H. v. Kleist
man
sagt hier den 21 Novber
wir
wissen aber nicht, ob es wahr ist.
N. S. In dem Koffer der Mad. Vogel
der in Berlin in ihrem Hause in der Gesindestube
mit messingenen Vorlegeschloß steht, und wozu der kleine
versigelte Schlüssel, der hier im Kasten liegt, past
in diesem Koffer befinden sich drey Briefe von mir, die
ich Sie noch herzlichst zu besorgen bitte; nämlich
1., Einen
Brief an die Hof-Räthin Mueller nach Wien
2., Einen
Brief an meinen Bruder Leopold nach Stolpe,
welche beide mit der Post zu besorgen sind (der erstere
kann vielleicht durch den guten Brillen Voß spedirt
werden) und
3., Einen
Brief an Frau v. Kleist gebor. v. Gualtieri,
welchen ich an dem Major v. Below, Gouverneur
des Prinzen Friedrich v. Hessen, auf dem
Schlosse abzulegen bitte. Endlich liegt <22:>
4., Noch
ein Brief an Frau v. Kleist, in dem hiesigen
Kasten der Mad. Vogel, welchen ich gleichfalls
und zu gleicher Zeit an den Major v. Below
abzugeben bitte. adieu!
Adreße
An den Krieges Rath Peguilhen in
Berlin. Der Bothe bekömmt noch
12 gr. Courant.
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