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Georg Minde-Pouet, Zu Kleists letzten Tagen, in: Frankfurter Oder-Zeitung, 21. 11. 1931

Marie v. Kleist an Friedrich Wilhelm III., Berlin, 9. 9. 1811


Mein allergnädigster König und Herr!
Ich lege den Brief eines meiner alten vieljährigen Freunde zu meines Königs Füßen und behaupte dreist, daß es kein biederer ächterer preußischer Unterthan giebt als dieser Freund. – Mein gnädiger gütiger König glaube nicht, daß seine Jugendabendtheuer, seine dichterischen Schrollen mir unbekannt sind, alle diese Dinge haben seinen patriotischen Sinn gehoben und vermehrt, nur anthousiastische Menschen werden jetzt etwas heißen. Aber wahre, ächte, anthousiastische Menschen, nicht wie manche, die ich nicht nennen mag, deren anthousiasmuss bloßer egoismus war – Mit meinem Kopfe stehe ich dafür, daß mein Protégé, sich in Stücken hauen läßt, ehe er etwas ihm anvertrautes je übergiebt – Er, hoffe ich, soll die Fehler meiner anderen Verwandten wieder gut machen – Mein König laße ihn an seiner Seite fechten, er beschirme meines Monarchen Leben. Nicht das Tracktament der Adjudanten fordere ich für ihn. Er verlangt nur die gage, des letzten Lieutenants eines Regiments, gern diente er ganz umsonst, wenn er die mindeste Resource hätte. Sein ganzer, sein einziger Wunsch, ist für seinen König zu sterben – Ach! mein König nehme ein mal, einen Vertheidiger aus meiner Hand – niemanden liegt ja so viel an der Erhaltung Ew Majestät – Mein König vergeße nicht, daß ein Dichter seines Namens, unter die ersten Helden des Vaterlandes gehört, ein Mann auch, aus unsäglichen Sonderbarkeiten zusammengesetzt, aber brav, und treu – in H. K. soll dieser Held wieder aufleben; mit mehr Eifer, und mehr Geringschätzung des Lebens ergreift keiner die Waffen. Auch hat er seit einigen Jahren sich viel mit Tacktick beschäfftiget, Krieges Spiele gespielt, & & und hatt ein Wille wie er nirgens gefunden wird, ich empfehle ihn meinem Könige aus dem innersten meines Herzen – Nur er theilt alle meine Gefühle fürs Vaterland mit – Geben Ew Majestät ihm einen Wink und er findet sich ein, wo er sich einfinden soll, auf seine Verschwiegenheit können Ew Majestät wie auf einen Felsen bauen – Gern empföhle ich auch meinen Sohn: seine zarte Jugend aber beraubt mir noch die Zuverläßigkeit, die dazu erfordert wird – Ach und wenn er nicht meine Wünsche und Hoffnungen entspreche, und ich ein Wesen empfohlen hätte, welches nicht seinen Platz ausfülte ich wäre in Verzweiflung doch verlangt ihn sein Monarch, so ist er da – er verlangt nichts mehr als diese Freiheit – dann habe ich keine Verantwortung mehr – Ach! mein aller gnädigster König und Herr, welch ein Schmerz mein Herz zerreist, kann ich nicht sagen – Wenn ich meinen Monarchen begleiten könnte, wäre ich ruhig, und wenn es mir noch so übel ginge – Aber noch einmal hier bleiben ist schrecklich schrecklich – ich habe eine Ahndung, daß es mir übel geht – Meinem Könige, seinen Kindern, könnte ich vielleicht einmal, Krankenwärterin, Pflegerin sein, und wer würde das alles mit mehr Treue und Liebe sein – Doch wie mein König will – Zwei Kriegs Lieder von H. Kl., die hier erfolgen, können ihn, wenn Ew. Majestät ihn nicht mit nehmen, hier theuer zu stehn kommen. – Gott, der Allmächtige, Segne und schütze Ew. Majestät, und die theuren Pfänder der Verewigten. – –
Marie von Kleist.
Berlin, den 9t. September 1811.
Mein König, verbrenne diesen Brief. –

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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