Friedrich Meusel, Kleist
im Dezember 1810, in: Euphorion 15 (1908), 573
Kleist im Dezember 1810.
Adam Müller und Kleist sollen Posten angeboten seyn, letzterer
hätte ausgeschlagen; ob ersterer wußte man nicht.
Diese Worte stammen aus einem Brief des aus dem Müller Arnoldschen Prozeß bekannten
Präsidenten Grafen Karl von Finckenstein, des Übersetzers von Theokrit und Vergil, an
den damaligen Major Ludwig von der Marwitz, datiert Madlitz den 22. Dezember 1810; es
ist derselbe Graf Finckenstein, der mit Marwitz zusammen als Führer der altständischen
Opposition auf die Festung Spandau geschickt wurde (vgl. über ihn meine Mitteilung in den
Forsch. z. Brand.-Preuß. Gesch. Bd. 19 S. 522ff.). Daß dieser Nachricht,
soweit Adam Müller in Betracht kommt, Tatsachen zu Grunde liegen, ist ausgeschlossen, da
seit dem Novemberartikel Adam Müllers seine anfänglich freundlichen Beziehungen zur
Regierung abgebrochen waren. Ob sie auch, was Kleist betrifft, von der Hand zu weisen ist,
wage ich nicht zu entscheiden; aus Kleists Briefen an Raumer vom 13. und 15. Dezember 1810
(ed. Minde-Pouet S. 407ff.) geht ja hervor, daß er damals noch einmal
Anschluß an die Regierung gesucht hat freilich mit der Klausel: ich
begehre nichts, als eine unabhängige Stellung zu behaupten. Auf jeden Fall verdient
die obige Nachricht, die wohl durch Genelli, ein Mitglied der Kleistschen
Tischgesellschaft, nach Madlitz gelangt ist, Beachtung als ein neuer Beweis des
Interesses der Adelspartei an dem Herausgeber und dem bedeutendsten Mitarbeiter der
Abendblätter.
Nachschrift:
Meine Hoffnung, noch Kleistiana in Madlitz zu finden, hat sich auf einer kürzlich
unternommenen Reise leider nicht bestätigt. Weder die Abendblätter, die zweifellos
gehalten wurden, sind mehr vorhanden, noch haben sich Briefe oder andere schriftliche
Äußerungen Heinrich v. Kleists auffinden lassen.
Berlin.
Friedrich Meusel.
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