Friedrich Laun (d.
i. Friedrich August Schulze), Memoiren, 3 Bde.
(Bunzlau: Appun 1837), Bd. 2, 206-208
Kleist in Dresden
Bei alledem gab es noch Häuser in Dresden, wo sogar in einer
höchst unerfreulichen Zeit, wie diese war, die Geselligkeit an ihr gewidmeten Abenden ihr
Prioritätsrecht zu behaupten und die Klippen der Politik durch Verweilen bei
Kunstgegenständen oder weit von ihr abgelegenem, harmlosen Zeitvertreibe, geschickt zu
umschiffen wußte.
Ein solches war z. B. das Haus des Professors bei
der Kunstakademie, Seidelmann, eines Künstlers, dessen mit ungemeinem Geschmack
und großer Sorgfalt ausgeführte Sepiazeichnungen
ihm einen weitverbreiteten Ruf (namentlich auch am russischen Kaiserhofe, wo er eine sehr
ehrenvolle Aufnahme gefunden,) erworben hatten, einen Ruf, den er durch seine, in den
vornehmsten Kreisen der Gesellschaft gewonnene persönliche Haltung und Lebensgewandtheit
zu unterstützen wußte.
Niemand könnte wohl auch besser geeignet gewesen sein,
vermöge eines klaren, heitern Geistes und eines seltenen Takts, die Leitung der
Geselligkeit zu übernehmen, als seine Gemahlin, die, aus Venedig stammend, während ihres
langen Aufenthaltes an seiner Seite in Dresden, durch einen seltenen Verein
geistiger Annehmlichkeiten verbunden mit unverkennbarer Herzensgüte in die
ausgesuchtesten Zirkel von Männern und Frauen ganz ungesucht gekommen
war. <207:>
Bei der größten Einfachheit der gesellschaftlichen
Formen herrschte in ihrem Hause gewöhnlich die reizendste Natur. Personen aus den
höchsten Ständen wußte hier der freundliche Sinn der einnehmenden Frau hauptsächlich
durch ihr Beobachten eines völlig gleichgefälligen Betragens gegen alle
Anwesende, mit weit minder Hochgestellten auf eine höchst angenehme Weise zu vereinen.
Nur weil zur Aufnahme in diesem gastfreundlichen Hause die strengste Beobachtung des Anstands
ein unerläßliches Erforderniß war, brauchte von einem erhöhten Stande des
Aufgenommenen, sogar zu einer Zeit, wo Dresden in seinen Zirkeln noch ganz gewaltig
an einer der allgemeinen Ausbildung höchst nachtheiligen, strengen Klassification
kränkelte, gar keine Rede zu sein.
Auf gleiche Weise wurde es im Seidelmannschen
Hause mit den politischen Partheien gehalten. Kein Mensch fragte, welcher der
Theilnehmer angehörte, nur mußte er nicht auf die seinige pochen, oder gar sie
gelten
machen wollen. Dies ging auch um so weniger an, da wirklich alle Partheien hier
zusammentrafen.
Unter mehren Andern bemerkte ich oft den Dichter Heinrich
von Kleist, sodann einen aus den sächsischen, später in preußische Dienste
übergegangenen General von Bose, so wie die Obersten Rühle <208:> von
Lilienstern und Thielemann (welcher letztere lange Zeit seiner Stellung nach
gehalten war, die französischen Farben nicht zu verläugnen) nebst ihren Gemahlinnen;
auch ich war Zeuge, wie der, in der vollkommensten Opposition gegen diese Farben stehende
General von Pful den dortigen Abendzirkel durch seine ungemeinen, geselligen
Talente zu unterhalten suchte, und bald allerlei Künste der sogenannten natürlichen
Magie anmuthig darlegte, bald eine ausgezeichnete, gymnastische Virtuosität in einem,
durch zahlreiche Gesellschaft sehr beschränkten Raume, zu allgemeiner Bewunderung bewies.
Auch die Tonkunst wurde zuweilen zur Belebung dieser Soiréen herbeigerufen.
Emendation
Sepiazeichnungen] Specialzeichnungen D
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