Karl v. Holtei
(Hrsg.), Briefe an Ludwig Tieck, 4 Bde.(Breslau:
Trewendt 1864), Bd. 4, 30-32
Karl Leo v. Seckendorff an Ludwig Tieck, Wien,
1. 12. 1808
- Wien,
1. Dec. 1808.
- Noch kann ich
mich über Ihre schnelle, gar nicht vermuthete Abreise
nicht zufrieden geben, in einem Augenblick, wo ich mir
soviel von Ihrer Unterstützung versprochen hatte, <31:>
wo es leichter, als zu irgend einem andern Zeitpunkt war,
einen bedeutenden Einfluß auf die hiesigen Theater sich
zu sichern, und vereint auf ein schönes Ziel hinzuwirken.
Sie werden mir freilich einwenden, daß diese meine Ideen
vielleicht ganz außer Ihrem Gesichtskreise lagen, mit
Ihrer Neigung unvereinbarlich waren allein vergeben
Sie mir, wenn ich keine Kraft erblicke, ohne ihr zugleich
in Gedanken ein bestimmtes Ziel anzuweisen, wenn ich gern
alles Edle und Schöne um mich vereinigen möchte, um so
vereint, eine bleibende Stätte für die Kunst zu gründen.
Und hier scheint mir durch die Entziehung Ihrer persönlichen
Gegenwart ein großes Hinderniß entstanden. Nennen Sie
es immerhin Träume, wenn ich mir Sie an der Spize der
hiesigen Theaterwelt, und mich als Ihren Gehülfen dabei
dachte. In Ihrer Persönlichkeit lagen alle Mittel dazu,
und was nun vielleicht auf Umwegen durch jahrelange Bemühung
nicht erreicht werden kann das hätte Ihre Gegenwart,
mit diesem Sinn das Gute überall anzuerkennen, und an
seinen Plaz zu stellen, mit dieser poetischen Schöpfungskraft
und nicht zu vergessen die jezige Verlegenheit
der Direktion, welche zwischen zwei Stühlen, Hartel und
Iffland, sitzt, möglich gemacht. Dieser Augenblick kehrt
vielleicht nie zurück nie die Möglichkeit eines
entschiedenen Einflusses auf Hartel durch seine Verwandte,
wovon ich selbst nichts wußte denn er geht nun
in 4 Wochen vom Theater ab. Iffland kommt auch nicht,
folglich wird Sonnleithner oder gar etwas
ärgers das Factotum werden. Nun sind das alles fromme
Wünsche. Ich werde wohl nicht nachlassen, aber ich habe
auch nur den guten Willen, mit den Menschen vermag ich
nichts anzufangen. Auch hat mir meine erste Verbindung
mit Stoll zu viel geschadet.
Dagegen
scheint es nun mit der Fortsezung des Prometheus Ernst
zu werden. Wenn Sie diese Zeilen erhalten, ist <32:>
es wahrscheinlich mit Cotta entschieden. Er ist nicht
abgeneigt, und ich habe billige Bedingungen gemacht, und
hoffe jezt seine günstige Definitiventscheidung. Auf diesen
Fall rechne ich bestimmt auf Ihre Mitwirkung, und so schnell
es sein kann, auf die Uebersicht der hiesigen Theater,
wozu Sie mir Hoffnung gemacht haben. Diese ist ganz dazu
geeignet das hiesige Publikum günstig für die Zeitschrift
zu stimmen. In der Folge hoffe ich auch auf den Aufsatz
über das teutsche Theater überhaupt, und über Fleck.
Ich erwarte Ihre Bedingungen, bitte Sie aber, mir Ihre
Abreise von München, und Ihren künftigen Aufenthalt sogleich
wissen zu lassen. Schlegel läßt Sie herzlich grüßen.
Knorring und (? unlesbar) machen noch immer keine
Anstalt zur Abfahrt. Der jüngere Collin geht in 14 Tagen
nach Krakau, als Professor der Aesthetik. Empfehlen
Sie mich Mad. Bernhardi und gedenken meiner zuweilen in
Ehren.
Seckendorf.
(Vordre Schenkenstraße No. 23.)
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