Paul
Hohlfeld, August Wünsche (Hrsg.), Der Briefwechsel Karl Christian Friedrich Krauses. Zur
Würdigung seines Lebens und Wirkens. Aus dem handschriftlichen Nachlasse, 2 Bde.
(Leipzig: Dieterichsche Verlagsbuchhandlung Theodor Weicher 1903/07), Bd. 1 (1903),
189f.
Karl Christian Friedrich Krause an Karl Heinrich Krause, Dresden,
17. 1. 1808
- Dresden, Sonnabends, den 17. Januar 1808.
Mein bester Vater!
Die Absicht meiner
politischen Schrift (wobei ich, was Sie rathen, befolgen werde und befolgen muss) geht
dahin, zu zeigen: dass nach und nach durch die von Napoleon gethanen Schritte ein
monarchischer Völkerbund, zuvörderst von Europa, dann aber auch mit Einschluss Asiens,
entstehen und sich über die ganze Erde verbreiten müsse. Fessler giebt im nächsten
Jahre (streng unter uns gesagt) ein Werk heraus, worin er zeigen will, dass alles in eine
Hierarchie enden werde. Der Meinung bin ich nun nicht, weder, dass es geschehen könne,
noch solle. Doch braucht er den Ausdruck: Weltstaat und ist auf mehrere mir verwandte
Ideen gerathen; deshalb liess ich mir von Mossdorf, gleich nach Einsicht des Fesslerischen
Planes, beifolgendes Zeugniss geben, das ich mir zurück erbitte. Das nächste Mal will
ich Ihnen einen Plan überschicken. Im Februar geht der Druck an. Ich arbeite mit ganzer
Seele daran, mit einer Lust, wie bei keiner meiner vorigen Schriften.
An der Sittenlehre arbeite
ich immer in horis subsecivis. Gabler wird mir freilich das Manuskript nicht
zurückschicken, wenn er es gleich an Ostern versprach. Nur davon habe ich kein Orginal,
was das Kirchenrecht betraf, und was Sie gelesen haben. Dass die Vorlesung über
N. R. sich nicht so, also überhaupt nicht zum Druck eignet, fühle ich selbst und
habe sie ebendeshalb Ihnen geschickt, um Ihr Urtheil zu hören. Nächstens sollen Sie bei
Gelegenheit meine neuen Arbeiten und Entwürfe und Ideen im N. R. zur Durchsicht
erhalten, gegen welche mein erstes Werk nicht in Betracht kommt; ich kann ohne Feuer nicht
an diesen schönen Gegenstand denken.
Mit Reclam ist jetzt gar
nichts zu machen; auf die 60 Thlr. Mezzerische Schuld habe ich nun erst 20 Thlr.
abgetragen und werde um das übrige gedrängt; ich schickte ihm eine Anweisung auf 30
Thlr., aber umsonst; Gott weiss, wie ich nun der Klage entgehen werde, wenn ich nicht
einige Monate noch Aufschub erhalte. Von der Leipziger Litteraturzeitung habe ich noch
kein Geld erhalten, aber immer Bücher. Die Recension von Lorenz Combinationslehre
ist von mir, so auch die über Herbarts Philosophisches Studium u. s. w.
Nächsten Tag werde ich zu
Böttiger gehen und seine Bekanntschaft wieder anknüpfen.
Ich habe
die genauere Bekanntschaft Adam Müllers gemacht. Er giebt ein Journal heraus, Phoebus
genannt, wo ich mitarbeite und für den Bogen 30 Thlr. bekomme. Erst im Aprilstück
können meine Aufsätze aufgenommen werden: sie <190:> betreffen musikalische
Gegenstände meiner Erfindung. Dass ich mich mit Vielerlei beschäftige, ist meines
Geistes Drang; es ist nichts ohne Einheit, und nichts, was nicht zu meiner Hauptarbeit,
dem System, nothwendig ist. Dieser Reichthum der Erkenntniss hat mir doch immer noch das
meiste genutzt, und ich kann einmal nicht anders.
Tausend herzliche Grüsse an
Sie alle von mir und meiner Frau; sie wird Ernestinchen ehestens eine kleine Stickerei von
ihrer Hand schicken, die sie freuen wird: nur die Krankheit der Kinder hat sie gehindert,
sie zum neuen Jahre fertig zu bekommen. Schreiben Sie bald
Ihrem Sie liebenden dankbaren
Sohn
K. Chr. Fr. Krause.
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