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f. v., (Bericht über Paul Hoffmanns Vortrag „Heinrich von Kleists schlesische Reise“, Aprilsitzung der Gesellschaft für deutsche Literatur), in: Deutsche Allgemeine Zeitung (Berlin), 25. 4. 1919, Nr. 199, Abend-Ausgabe

Christian Ernst Martinis Reisebericht


Heinrich von Kleists schlesische Reise. Ueber Heinrich von Kleists schlesische Reise sprach Paul Hoffmann in der Aprilsitzung der „Gesellschaft für deutsche Literatur“. Die von ihm neu aufgefundene Quelle ist ein Gedicht von 59 siebenzeiligen Strophen, das Kleists Lehrer und Freund, Christian Ernst Martini, als eine Art parodistischer Reisebeschreibung verfaßt hat. Als Kleist kaum zwei Monate in Frankfurt a. O. studierte, besuchten ihn zwei befreundete Potsdamer Offiziere, v. Schlotheim und v. Brause, die eine Reise ins Riesengebirge  machten. Den Wunsch, sie zu begleiten, versagte er sich in Rücksicht auf seine Studien. Da aber sechs Wochen später wegen der Frankfurter Margaretenmesse die Universitätsvorlesungen auf 14 Tage unterbrochen wurden, machte er sich mit seinen Geschwistern Ulrike und Leopold auf den Weg in eigenem Reisewagen. Bei herrlichstem Wetter fuhren sie am ersten Tage bis Krossen, in dessen Nähe Ulrike ihre Freundin, Frau von Vogel auf Kähmen, besuchte. Am nächsten Tage erreichten sie Sagan. Dort sahen sie einen Zauberkünstler, der freilich nicht dem Gaukler Jakob Philadelphia in Lichtenbergs Satire zu vergleichen war. In Bunzlau, ihrem nächsten Reiseziel, unterhielt  sie ein „Wundermann, ein Astronom“, der Zeichnermeister Gottfried Hüttig, dessen Apparate damals von vielen durchreisenden Gelehrten bewundert wurden. Bei der Weiterreise unter einem starken Gewitter verirrten sie sich in der „kohlpechrabenschwarzen Nacht“ und fanden endlich in Possen notdürftiges Unterkommen. Am nächsten Tage traf Heinrich in Flinsberg seinen früheren Kameraden, Karl von Gleißenberg, und in lustiger Gesellschaft beteiligten sie sich an dem Treiben der Kurgäste. Um ein „Schauspiel“ zu sehen, das Martini als ein „wahres Sauspiel“ bezeichnet, gingen sie nach Meffersdorf, das Heinrich durch die naturwissenschaftlichen Sammlungen und die wertvolle Bibliothek des gelehrten Adolf Traugott von Gersdorf ohnehin anlockte. Mit Gleißenberg fuhren sie dann über Hirschberg und Warmbrunn nach dem Kynast und verbrachten dort einen Tag, an den Kleist sich später noch gern erinnerte. Unter Führung von zwei Trägern stiegen sie von dort zur neuen schlesischen Baude hinauf, gingen dann, vorbei an „Rübezahls Kanzel“, zu den Schneegruben und durch den Elbgrund nach Friedrichstal in Böhmen. Am nächsten Morgen sahen sie vom Kamm aus die beiden Teiche und erstiegen, „trotz Wetter, Wind und Naß“, gegen Abend die Schneekoppe. So weit geht Martinis  Bericht, der etwa die Tage vom 4. bis 12. Juli umfaßt. – Aus früheren Studien konnte der Vortragende hinzufügen, daß die Reisenden in der Hampelbaude übernachteten und am 13. Juli noch einmal auf der Schneekoppe waren, um den Sonnenaufgang zu genießen. Nach dem Abstieg trug Heinrich von Kleist in das Fremdenbuch der Hampelbaude seine „Hymne an die Sonne“ ein, bekanntlich eine Nachdichtung des Schillerschen „An den Unendlichen“. In den Versen, mit denen Gleißenberg sich eintrug, findet sich der Name „Kant“, der hier, soweit wir bisher wissen, zum erstenmal in Kleists Sphäre erklingt.

f. v.

 

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