Paul
Hoffmann, Heinrich von Kleist und die Seinen, in:
Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 84 (1929), 161-185; darin:
168f.
Wilhelm v. Pannwitz an Philipp v. Stojentin, Gulben, 13. 8. 1808
d. 13. August [1808.]
Eine Abwesenheit von 8 Tagen in Wormlage, unter
welcher Dein lieber Brief hier ankam, ist Schuld, daß ich denselben jetzt erst
beantworten kann. Was das Anliegen von Heinrich an Dir, u der
Vorschlag von uns allen in Betreff dessen Befriedigung anbelangt, so habe ich mit der
Löschbrandtin u mit Ullrike darüber gesprochen. Erstere kann in ihrer jetzigen Lage, wo
sie kaum die Hälfte ihrer Zinsen einbekommt u die Unterhaltung ihres Sohnes ihr immer
kostbarer wird, schlechterdings keinen Pfennig missen u Ullrike will sich zu nichts
erklären. Was mich, oder vielmehr meine Frau anbetrifft, so bin ich in dem nehmlichen
Falle wie die Löschbrandtin; <169:> denn seit zwey Jahren habe ich von den
Capitalien meiner Frau beynahe keine Zinsen erhallten u die bevorstehende Niederkunft
derselben macht es uns so nothwendig jeden Pfennig zu Rathe zu halten. Heinrich hat sich
in eben dieser Absicht an Schönfeldts gewendet, allein wer da jetzt aufs Ungewisse 200
rthl hingeben kann, ist ein beneidenswerther Mensch. Ueberdem sehe ich nicht ein, daß ihm
damit so sehr viel geholfen ist, da er gewiß über kurz oder lang sein dermaliges
Unternehmen wieder aufgeben wird, denn wenn er nur ein Gran Vernunft und Ueberlegung
hätte, so konnte er bei seinem glücklichen Genie längst in einer guten Lage seyn. Warum
verläßt er seine Anstellung, die ihm wenigstens die Aussicht auf auf ein gewißes Brot
gab, und wenn er den Drang zum Dichten in sich fühlt, so konnte er ihn nebenher immer
befriedigen. Ueberdem wird es wahrscheinlich mit dem Phöbus ein trauriges Ende nehmen,
denn in allen Recensionen wird er garstig mitgenommen. Ich habe ihn nicht gelesen, allein
nach der Ankündigung, die mit einer empörenden Arroganz geschrieben ist, zu urtheilen,
fürchte ich, daß ihm nicht Unrecht geschieht.
Obgleich die Tante, besonders
in Betracht ihrer Geisteskraft noch sehr schwach ist, so hatte sie doch mit meiner Frau
auf 14 Tage eine Reise nach Frankfurth übernommen, um Julchens Sachen einzupacken u
abzuschicken, die recht glücklich abgelaufen ist. Demohngeachtet fürchte ich doch, daß
sie ihrem Ziele sehr nahe ist. Die Löschbrandtin ist jetzt hier, um zu baden; auch sie
hatt sich von ihrer letzten Krankheit noch gar nicht erholt u wenn sie sich nicht sehr in
Acht nimmt, so können wir sie leicht verliehren. Schönfeldt, der Dich freundschaftlich
grüßen läßt, ist jetzt wohl und gesund, vor einiger [Zeit ist er] aber auch an Blasen
Verstopfung dem Tode nahe gewesen.
Wir alle grüßen Dich u
Deine liebe Frau pp.
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