Paul Hoffmann,
Ein Brief der Mutter Heinrich v. Kleists,
in: JbKG (1931/32), 112-121; darin: 115f.
Kleists Mutter an Friedrich Wilhelm II., Frankfurt
(Oder), 4. 7. 1789
Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König!
Allergnädigster König und Herr!
Ew: Königliche Majestät hatten die Gnade, mich
in den Huldreichsten Ausdrücken, mich bey Erziehung meiner
kleinen unerzogenen Kindern, gnädigst zu unterstützen zu
versichern; welches gnädige Anerbieten mich jetzo da ich
in die betrübteste Lage versetzt werden soll, Euer Königliche
Majestät, fußfälligst um Dero gnädige Unterstützung
anzuflehen hierdurch mit den redlichsten Vertrauen wage.
Es hat mein Mann welcher vor einem
Jahre verstorben, ein Testament hinterlaßen, worin
er mir zur Universal-Erbin einsetzet, ohne Nachtheil
der Kinder, nämlich daß ich nur den Genießbrauch, des ganzen
Vermögens, ohne aller Berechnung, so lange ich lebe, und
davon die Kinder Standesmäßig erziehen laße; behalten soll.
Nach meinen Tode aber dieses ganze Vermögen, unter allen
meinen Sieben Kindern zu gleichen Theilen getheilt werde.
Die baaren Capitalien ich aber nicht schmälern,
worauf vorzüglich gesehen werden soll. Da aber bey diesen
Testament, welches mein Mann selbst gemacht, Er
die Gesetze nicht verstanden, folglich in denen Sollenitäten
gefehlet, dahero gedachtes Testament, von dem hiesigen
Stadt-Gericht verworffen werden soll! und ich dadurch in
die traurigste Lage versetzt werden muß. Eüer Königlichen
Majestät flehe allerunterthänigst an, mich in dieser
bedrängten Lage, eine gnädige Unterstützung angedeihen zu
laßen. Solte Es zu einer gänzlichen Theilung kommen,
so könnte alsdann nicht die gute Meinung meines Mannes (:
da ich selbst <116:> kein Vermögen habe:) Bey der
Erziehung meiner kleinen Kinder erfüllet werden! Noch viel
weniger die gnädige Gesinnung, welche Ew: Königl. Majestät
gegen mich gnädigst äußerten, bey Annahme meines aeltesten
Sohnes, in der Accademie Militair, wo allerhöchstdieselben
sich gnädigst ausdrückten; um mich die Erziehung
meiner noch übrigen Kleinen Kinder zu erleichtern. Auch
diese allergnädigste Intention bliebe unerfüllet,
den sobald der Theil des Vermögens, wie es als dan ganz
natürlich ist, abgezogen wird, würde ich nicht im geringsten
Soulagirt! Und wenn dergleichen Vorfälle, wie es
gewiß Kommen muß, sich noch mehr ereignen, würde
ich als dann in die Kümmerlichsten Umstände versetzt,
und auf die Erziehung meiner Kleinen Kinder gar nichts verwenden
können.
Ich glaube einiges Recht zu haben, Ew: Königl: Majestät
allerunterthänigst anzuflehen, daß meines Mannes Testament
aufrecht erhalten wird, denn mein Mann erkennet mich
darim, nicht allein, als die Mithelfferin, des erworbenen
Vermögens, sondern vertraut mir auch die Verwaltung des
ganzen an! Und gewiß getraue ich mir dieses ohne Nachtheil
der Kinder zubehaupten, daß ich hierin die Absicht meines
Mannes erfüllen werde! welches Zäugniß ich von allen so
mich kennen fordern kann. Ich habe hierbey nichts als die
rechtschaffenste Absicht meiner Kinder zum Grunde, und werde
nie eine ungerechte oder für meinen Kindern nachtheilige
Sache verlangen, wovon ich mir nicht selbst zu Aufführung
dieses Werks überzeügen könnte. In dem festen Vertrauen
einer gnädigen Erhörung, ersterbe in tiefsten Respect
Franckfurt
a/O
d
4ten July
1789 |
Ew:
Königl: Majestät
aller
unterthänigste treü gehorsamste Dienerin
Verwittwete Major v Kleist geborne v Pannwitz. |
Hoffmann 116: Dies
Gesuch traf im Kabinett am 6. Juli 1789 ein, wie eine Bemerkung
ad marginem dartut. Noch am selben Tage schrieb ein Kabinettsrat
auf die Eingabe, zwischen die Anrede und die erste Zeile
des Textes der Bittstellerin: An das Justiz Departement.
| Berlin den 6t July 1789.
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