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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Julius Hartmann (Hrsg.), Uhlands Briefwechsel. 4 Bde. (Stuttgart, Berlin: Cotta 1911-16), Bd. 1: 1795-1815 (1911), 62-66

Ludwig Uhland an Karl Mayer, Tübingen, 23. 1. 1808

Tübingen d. 23. Jan. 1808.
Mein Bester!
Dank für die mir zugesandten Lieder! Blumenleben gefiel mir am besten; die Ueberschrift wünscht’ ich geändert – aber weg für heute mit Kritik! ich bin gar nicht dazu gestimmt.
Wenn ich für deine Gedichte zum Theil ein anderes Sylbenmaaß wünschte, so waren damit nicht gerade Reime gemeint; unter dem elegischen Metrum verstand ich Distichen.
Köstlins Brief enthielt auch zum Theil Stimmen aus der Wüste. Vom Einsamen heißt es: „Er vertraute vielleicht einst seiner eigenen Kraft und dünkte sich stark genug in sich, um ein seliges Leben in seinem Gotte führen und immer in heitern Freuden schweben zu <63:> können: aber in der Ruhe verschmachtete das Gefieder seines Geistes. Die Götter sind von dem Trägen gewichen, und die ihn sonst begeisterten, stehen kalt und verschlossen vor ihm.“
Er erinnert sich an das akademische Leben, als ein lebendigeres Leben in immerwährendem „Empfangen von Ideen und Darreichen und Genießen des Schönen“.
Weiter heißt es: „Im Schreiben entleidet mir bereits das Schreiben. Ihr solltet sprechen, mir antworten, meine ich, und nicht mich allein so schwazen lassen“.
Schoder schreibt mir öfters, schickt mir Gedichte, fragte auch nach dir.
Kölle ist noch nicht hier. Ich habe ungefähr seit der Herbstvakanz keinen Brief von ihm erhalten. Freilich wäre das Schreiben an mir, allein ich weiß nicht, wo er sich jezt aufhält, und dann heißt es schon seit einiger Zeit, daß er hieher oder vielmehr hier durch kommen werde.
Meinen Seckendorf’schen Almanach für 1807, hätt’ ich dir schon geschickt, wenn ihn nicht noch Roser oder Jäger in Händen hätte. Ich habe aber an Roser deßhalb geschrieben.
Mit der Abschrift meiner sämtlichen Gedichte in ein großes Buch bin ich noch gar nicht weit gediehen. Das Abschreiben ist gar zu langweilig.
In Betreff des Prometheus hab’ ich Seckendorfs Schreiben noch nicht beantwortet. Am besten dünkt mir die Erscheinung des ersten Stücks abzuwarten. Seckendorf las auch schon Prosa von mir und er weiß vom Sonntagsblatte, daher er auch um Aufsätze aus diesem schreibt.
Zwar hat sich bei mir wieder einiger Vorrat gesammelt; auch Kerner hat noch mehrere theils ältere, theils neuere Stücke zu seiner Disposition (Abreise, Er und Sie, Treue, Herbst, Wanderlied, Gr. Asper, Zwei Leichen – An …, das geistliche Lied im Sonntagsblatt &c.); auch könnten wir auf die Unterstützung einiger Freunde hoffen, namentlich deine, als Zeichners und Dichters, so daß sich vielleicht auf ein eigenes Unternehmen denken ließe: allein groß ist dennoch der Vorrat nicht, und wenn sich auch ein Verleger fände, so kann ein eigenes Unternehmen doch zu allerhand nicht immer vorherzusehenden Unannehmlichkeiten führen.
Mehreres von unsrer Habe ist für die dießjährigen Almanache abgegangen, von mir für den Seckendorfischen 7 eigene Gedichte und 2 Volkslieder von Kerner für denselben Almanach: Nächtlich, eine Legende, das Lied an Maria; in dem Mannheimer stehen von ihm die Gedichte an Sie und von Ihr, wie sie im Sonntagsblatt <64:> überschrieben waren, Nacht, Wanderer (auch aus dem Sonntagsblatt), Nächtlicher Besuch.
Ob Seckendorfs Almanach für 1808 herausgekommen oder nicht, ist mir unbekannt. Zwar schrieb er mir längst, daß ich ihn nächstens erhalten oder gar schon haben werde, zwar fand sich unter mehreren Schriften, in Rücksicht deren bei Conz von Jena aus angefragt wurde: ob man sie ihm zum Recensiren zuschicken solle? auch der Seckendorf’sche Musenalmanach für 1808 aufgezeichnet; allein stringente Beweise sind dieß doch noch nicht, daß er wirklich erschienen, und ich hörte oder las auch sonst nirgends etwas davon.
Um auf das zu kommen, was ich eigentlich sagen wollte: unter diesen Umständen und bei dieser Unentschlossenheit wußt’ ich Seckendorf keine bestimmte Antwort zu geben und mit einer unbestimmten wär’ ihm doch nicht gedient.
Freilich ist es auch gut, wenn der Einzelne sein Scherflein zu den schon eingerichteten größern Instituten beiträgt.
Käm’ ich dazu, eine Sammlung meiner Gedichte herauszugeben (was darum für mich ein interessantes Resultat herbeiführen könnte, weil eine solche Zusammenstellung, die den Autor vollständiger charakterisirt, auch ausführlicherer und bedeutenderer Urteile gewürdigt zu werden pflegt), so würd’ ich solche wohl in drei Bücher abtheilen; das erste enthielte die mehr reflektirenden Gedichte, das zweite Romanzen, Balladen und diesen verwandte Gedichte, das dritte eigentliche Lieder, Epigramme &c. Diesen drei Büchern könnte etwa noch ein besonderer Anhang von einigen prosaischen Stücken und den Bearbeitungen aus dem Heldenbuche folgen.
Unter den Ankündigungen von neuen Journalen im Morgenblatt &c. interessirte mich besonders auch die vom Phoebus, der in Dresden erscheint. Die Herausgeber sind Heinrich v. Kleist, der Verfasser der vielversprechenden Familie Schroffenstein (die wir aber, wie es einmal im Morgenblatt stand, nicht in ächter Gestalt besizen sollen) und neuerer Zeit des so sehr gepriesenen Amphitruo, den ich leider! noch nicht gelesen, und Adam H. Müller, Verfasser der Vorlesungen über deutsche Wissenschaft und Literatur, die ich selbst besize und schäze. Ferdinand Hartmann, der das Fach der bildenden Kunst unter sich hat, ist wol dein Oncle?
Es würde mir leid thun, wenn ich dieß Journal nicht zu lesen bekäme.
Prometheus, Jason, Phöbus, Selene, Isis, Teutona, Freimüthiger, Morgenblatt, Teutscher Merkur, Zeitung für die elegante Welt, Asts Journal für Wissenschaft und Kunst &c. und so viele Almanache! o teutsche Literatur! <65:>
Weissers Aufsatz wurde vor mir von Schoder gelobt, der dem Verfasser gewiß nicht hold ist.
Isid. Orientalis soll sich in Heidelberg aufhalten, er zeigt zwar Talent, seine Romantik behagt mir aber nicht sehr und er erinnert gar zu sehr an Novalis.
Mein hiesiger Aufenthalt wird sich länger hinausziehen, als ich Anfangs dachte. Die Examen fallen vielleicht gerade in den Wonnemond, und dann noch die Disputation: so daß ich wol Ende Sommers oder Anfang Herbsts fortkommen werde? Wohin? weiß ich noch nicht, und daher kann ich auch zu deinem schönen Plan zu einer gemeinschaftlichen Rheinreise (dem vielleicht auch mein verspätetes Fertigwerden im Weege steht?) nichts Bestimmtes sagen.
Wär’ ich fleißiger gewesen, so hätt’ ich früher absolviren können. Noch jezt bin ich nicht zu fleißig, aber es gibt doch immer auch viele unwillkührliche Hindernisse. Der Fleiß ist gewiß ein gutes Mittel gegen üble Laune. Einen Tag recht gearbeitet – der Abend wird heiter seyn.
Jäger ist jetzt hier, er sagt mir, daß er dir vor einigen Tagen geschrieben. Auch Härlin hält sich hier auf, um nächstens zu disputiren (sowie auch Sigwart). Auch Köstlin wird noch einmal erscheinen, aber all das sind flüchtige Erscheinungen. Wenn nun an Ostern Kerner und vielleicht auch Zigeuner gehen – wie einsam werd’ ich den Sommer hinbringen! Schickardt, der mich zu meiner Freude jezt öfters besucht, und Tafel werden fast noch mein einziger Umgang seyn. Mit Schnurrer, der von Paris zurückgekommen, unterhalt’ ich mich am dritten Orte, er hat mich auch einmal besucht und er gefällt mir wol. Neuen Verbindungen seh’ ich nicht entgegen. Ueberhaupt, obgleich die Zeit meiner Abreise noch ziemlich entfernt, ist es mir doch immer, als könnt’ ich hier keine neue Wurzeln schlagen, keine neue Hoffnung ergreifen. Doch wo ist auch die Gelegenheit dazu? Es dünkt mir besser, von einem Ort wegzugehen, wenn man sich noch losreißen muß, als auf der Stätte der Freuden zurückzubleiben, wenn die Freuden weggezogen, wie ein Fisch, den die abgelaufene Flut auf dem Trocknen gelassen.
Ich bin begierig, wann ich einmal wieder zu dir komme, deines Bruders Zeichnungen zu sehen. Möchte auch dir die Lust, zu zeichnen, wieder gekommen seyn!
Du erhältst hier Abschriften Kerner’scher Gedichte, die ich mir sammt deinem offenherzigen Urteile, zurückerbitte. Kerner hat jezt <66:> seinen Mannheimer Almanach verschickt, sonst hätt’ ich dir Conzens Waldlied abgeschrieben.
Lebe wol!
L. U.

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Letzte Aktualisierung 23-Jan-2003
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