Briefwechsel
zwischen Friedrich Gentz und Adam Heinrich Müller 1800-1829 (Stuttgart:
Cotta 1857), 135
Müller an Gentz, Dresden, 2. 5. 1808 Dresden, 2.
Mai 1808.
Eine persönliche Zusammenkunft zwischen uns werden die Umstände wahrscheinlich
unmöglich machen, auch würde ich sie nicht abwarten können, indem es mich drängt,
meine Leidenschaftlichkeit, die freilich durch Ihre Verachtung des Phöbus veranlaßt
worden war, wieder gut zu machen, und mein Herz wie meinen Geist von allem Verdacht des
Wechsels und des Wandels, besonders aber von dem Verdacht irgend einer Coalition mit einer
menschlichen Seele zu reinigen. Meine Sache (nennen Sie sie Sache des Gegensatzes)
entbehrt umso leichter irgendeines Anhangs, als sie gerade durch die abweichenden
Ansichten mehr befestigt wird, als durch die übereinstimmenden. Sie, mein Freund, kennen
und lieben meine Consequenz, deßhalb möchte ich persönlich auf Sie losgehen, da Sie
klatschhaften Berichten über mich mehr trauen als der alten guten Meinung, die Sie von
mir gefaßt und bestätigt gefunden. So bin ich aber doch genöthigt, Ihnen beikommend die
sechs letzten Vorlesungen über das Schöne zuzusenden. Sie sind gut geschrieben und
werden Ihnen einiges Vergnügen machen. Es existirt davon keine Abschrift, deßhalb muß
ich um baldigste Zurücksendung bitten. Sie nöthigen mich zu dieser defensiven Maßregel,
und ich wünsche, daß Sie künftig nicht weiter vor irgend einem aufgestellten Satz
erschrecken, oder etwas anderes von mir erwarten, als was Sie längst kennen. Unter allen
bleiben Ihre Ansichten mir, ungeachtet der Verschiedenheit, die gemüthlichsten, wie Ihr
Herz das begreiflichste und liebenswürdigste dem meinigen. Leben Sie wohl, mein theurer
Freund!
A. H. Müller.
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